Leitsatz
Sichert ein Steuerberater seinem Mandanten zu, dass er die Entwicklung eines bestimmten Rechtsgebiets verfolgt, muss er gegebenenfalls auch ohne Weisung seines Mandanten selbstständig Einspruch einlegen. Im Urteilsfall war der Berater trotz der versprochenen Wachsamkeit untätig geblieben und hätte seinem Mandanten so eine vermeidbare Umsatzsteuernachzahlung beschert.
Sachverhalt
Eine selbstständige Familienhelferin war in der Betreuung von Familien tätig und führte in den Jahren 2000 bis 2004 keine Umsatzsteuer für ihre Tätigkeit ab. Das Finanzamt nahm bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung später die Steuerpflicht der Umsätze an und erließ am 25.7.2005 und am 8.8.2005 entsprechende Steuerbescheide, die zu einer Steuernachzahlung von 12.233 EUR führten. Der Steuerberater erhielt die Bescheide und teilte der Familienhelferin daraufhin mit, dass er die Bescheide geprüft hat und nicht beanstandet. Daraufhin zahlte die Frau die ausstehende Steuer an das Finanzamt. Der Berater sicherte der Frau zu, hinsichtlich der Rechtsprechung und der Literatur zur Umsatzsteuerpflicht von Familienhelfern "am Ball" zu bleiben. Trotz dieser Ankündigung und eines sich abzeichnenden Wandels in der Rechtsprechung versäumte es der Berater aber, die Bescheide mit einem Einspruch offen zu halten.
Der Steuerberater hat pflichtwidrig gehandelt und muss an die Familienhelferin Schadensersatz leisten. Die Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung ließ bereits seit 1999 erkennen, dass Berufe mit sozialer Ausrichtung in absehbarer Zeit unter eine Steuerbefreiung nach nationalem Recht fallen. Da die Tätigkeit einer Familienhelferin erkennbar soziale Züge trägt, lag es nahe, dass die Steuerpflicht auch für Angehörige dieser Berufsgruppe fallen würde. Der BFH griff die EuGH-Rechtsprechung mit Urteil v. 18.8.2005, V R 71/03, auf und lockerte die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sozialer Berufe. Der Steuerberater hätte erkennen können, dass die Rechtsprechung des EuGH auf eine Umsatzsteuerbefreiung für Familienhelfer hinausläuft; diese Tendenz war auch in der Fachliteratur erkennbar. Zwar wurde ein Teil der EuGH-Rechtsprechung nur von speziellen Zeitschriften aufgegriffen, die nicht unbedingt zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters gehören.
Wenn ein Berater seinem Mandanten aber explizit zusagt, sich in einem Themenbereich auf dem Laufenden zu halten, muss er in diesem Bereich besonders intensiv recherchieren. So kann von dem Berater verlangt werden, dass er den aktuellen Stand der Rechtsprechung auf europäischer Ebene verfolgt und sich über die anhängigen Verfahren vor dem BFH informiert.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Urteil v. 23.2.2011, 3 U 174/10.