Leitsatz
Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie … ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Versicherungsmakler oder -vertreter zu den Parteien des Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrags, zu dessen Abschluss er beiträgt, keine unmittelbare Verbindung, sondern nur eine mittelbare Verbindung über einen anderen Steuerpflichtigen unterhält, der selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer dieser Parteien steht und mit dem der Versicherungsmakler oder -vertreter vertraglich verbunden ist, es nicht ausschließt, dass die von dem Letztgenannten erbrachte Leistung nach dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit wird.
Problematik
Eine Versicherungsmakler-Gesellschaft war als Vermittlerin für bestimmte Versicherungsgesellschaften tätig. Sie schaltete die Beheer BV als Untervertreterin ein, die im Namen und für Rechnung der Gesellschaft Tätigkeiten betreffend den Abschluss von Versicherungsverträgen, die Behandlung von Policenänderungen, die Ausstellung von Versicherungspolicen … sowie die Erteilung von Auskünften gegenüber der Versicherungsgesellschaft und den Inhabern von Policen ausführte. Ferner initiierte sie selbstständig Anträge auf neue Versicherungen und deren Annahme. Ihre Vergütung bestand in 80 % der Provision, die die Gesellschaft bei Abschluss eines Versicherungsvertrags erhielt. Die Finanzverwaltung beurteilte ihre Tätigkeit als steuerpflichtig. Das vorlegende niederländische Gericht fragte hinsichtlich der Geltung der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie an.
Der EuGH bejahte die Anwendbarkeit der Befreiungsregelung. Vorweg stellte er klar, dass die Art der Tätigkeit der Subunternehmerin die Merkmale der Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers oder –vertreters aufweisen muss. Zur Subunternehmertätigkeit gilt: Der EuGH hatte zwar in einer Reihe von vorhergehenden Entscheidungen betont, dass die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der "dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und –vertretern erbracht werden" allein die Dienstleistungen der Berufausübenden erfasst, die zugleich mit dem Versicherten in Verbindung stehen. Danach konnten nur Versicherungsvertreter, die mit beiden Vertragsparteien des Versicherungsvertrags vertraglich verbunden waren, befreit sein.
Jetzt entschied der EuGH, für diese Verbindung reiche es aus, dass der Untervertreter, der keinen unmittelbaren Vertragskontakt mit den Versicherungsvertragsparteien hat, über seine auftraggebende Vermittlungsgesellschaft eine "mittelbare" Verbindung hat.
Konsequenzen für die Praxis
Der Fall betrifft den Regelungsbereich des § 4 Nr. 11 UStG. Die Aussage, dass eine "mittelbare" Verbindung des Tätigen zu den Versicherungsvertragsparteien über seine Vertragsverbindung (nur) zum Versicherungsvermittler ausreiche, ist m.E. eine massive Rechtsprechungsänderung, die der EuGH nicht offenlegt.
Dass sie sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Sie stellt den Gleichklang mit der EuGH-Rechtsprechung zum Vermittlungsbegriff her, wie er in den Befreiungsregelungen für Finanzumsätze in Art. 13 Teil B Buchst. Buchst. d der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. b bis f MwStRL) – § 4 Nr. 8 UStG – verwendet wird. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a verwendet zwar nicht den Vermittlungsbegriff, sondern setzt diesen in der Verwendung der "Dienstleistungen von Versicherungsmaklern und -vertretern" voraus.
Damit können in all diesen Branchen die Umsätze über gestaffelte sog. Strukturvertriebe befreit sein – vorausgesetzt, sie sind der Art nach Vermittlungstätigkeiten. Das kann z.B. dadurch erfüllt sein, dass der Untervertreter die Verhandlungen mit dem Kreditnehmer führt, während der Vermittler die unmittelbare Vertragsbeziehung zum Kreditgeber hat, oder wie hier, dass der Untervermittler von Kunden Anträge einholt.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 3.4.2008, C-124/07, – J.C.M. Beheer BV –, BFH/NV Beilage 2008 S. 216