Leitsatz
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der EG-RL ist dahin auszulegen, dass der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienende medizinische Analysen, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb einer Heilbehandlungseinrichtung auf Anordnung praktischer Ärzte durchgeführt werden, als ärztliche Heilbehandlungen einer anderen ordnungsgemäß anerkannten privatrechtlichen Einrichtung im Sinn der Bestimmung unter die dort vorgesehene Befreiung fallen können.
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und 2 Buchst. a der 6. EG-RL steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach die Befreiung derartiger medizinischer Analysen von Bedingungen abhängt, die nicht für die Befreiung der Heilbehandlungen der praktischen Ärzte gelten, die sie angeordnet haben, und sich von denen unterscheiden, die für die mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze im Sinn der erstgenannten Bestimmung gelten.
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL steht einer nationalen Regelung entgegen, wonach die Befreiung der medizinischen Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb einer Heilbehandlungseinrichtung durchgeführt werden, von der Bedingung abhängt, dass sie unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden.
Dagegen verstößt es nicht gegen diese Bestimmung, dass nach der nationalen Regelung die Befreiung dieser Analysen von der Bedingung abhängt, dass mindestens 40 % von ihnen Personen zugute kommen, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert sind.
Normenkette
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c und Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nrn. 14 und 16 Buchst. c UStG)
Sachverhalt
Eine GmbH, die für Ärzte medizinische Labormedizin durchführt, begehrte vergeblich die Steuerbefreiung. Dem FA fehlte die ärztliche Aufsicht und der Nachweis der 40%-Grenze des § 4 Nr. 16 UStG.
Entscheidung
Die in den Praxis-Hinweisen erläuterten Grundsätze wird der BFH bei der Entscheidung der Revision umzusetzen haben. Erlaubt – so lässt sich die Antwort kurz zusammenfassen – die RL selbst eine unterschiedliche Behandlung gleicher Leistungen je nach "Qualität des Leistenden", ist der Grundsatz der Neutralität der MwSt. insoweit eingeschränkt.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung betrifft die Vorlage des BFH vom 25.11.2004, V R 55/03 (BFH-PR 2005, 184). Die 6. EG-RL befreit – (b) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
(c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden.
Weil Laboruntersuchungen von Ärzten steuerfrei, von privaten Einrichtungen aber nur unter weiteren Bedingungen (u.a. 40%-Grenze) erbracht werden können, war letztlich zweifelhaft, ob dies gemeinschaftskonform sei. Der EuGH hatte für die Abgrenzung auf den Ort der Leistung abgestellt: Befreit sind nach Buchst. b solche Leistungen, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlichen Gesundheit bestehen, während Buchst. c Leistungen betrifft, die außerhalb von Krankenhäusern erbracht werden, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort.
2. Gemeinsames Ziel beider Bestimmungen ist es, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken. Beide Begriffe der 6. EG-RL ("ärztliche Heilbehandlung" in Buchst. b und "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" in Buchst. c) erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (Rd.Nr. 26). Diese müssen zwar einen therapeutischen Zweck haben, es reicht aber, wenn sie – wie hier die von Ärzten angeordneten medizinischen Analysen – zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden (Rd.Nrn. 27 – 30). Deshalb ist auch ein medizinisches Labor eine "Diagnoseklinik" i.S.d. 6. EG-RL, auch wenn sonst keine klinikähnliche Organisation vorhanden ist. In diesem Zusammenhang (Rd.Nrn. 32, 35) betont der EuGH den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der MwSt. unterschiedlich zu behandeln, wenn deren Qualität angesichts der Ausbildung der betreffenden Dienstleistungserbringer gleichwertig ist.
3. Kommt wegen des Leistungsorts (außerhalb der Praxisräume des praktischen Arztes der sie angeordnet hat) nur eine Befreiung nach Buchst. b in Betracht, stellt sich die Frage, ob die Differenzierung nac...