Leitsatz
Wer Bestechungsgelder erhält, muss diese versteuern. Dem steht der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht entgegen, soweit sich die steuerliche Erklärungspflicht auf die betragsmäßige Angabe der Einnahmen beschränkt und nicht deren deliktische Herkunft umfasst.
Sachverhalt
Die Angeklagten wurden durch das LG im Zusammenhang mit dem "Kölner Müllskandal" wegen Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verurteilt. Ihre Revisionen blieben erfolglos.
Entscheidung
Neben umfangreichen Ausführungen zu den Tatbeständen der Untreue nach § 266 StGB und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB befasst sich der Senat mit der Steuer(erklärungs)pflicht im Zusammenhang mit Schmiergeldern.
Bei den Bestechungsgeldern handelt es sich um erklärungspflichtige sonstige Einkünfte. Die Kapitalerträge aus der Anlage der verschwiegenen Schmiergelder stellen erklärungspflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Diese Beträge muss der Bestochene in seinen Steuererklärungen wahrheitsgemäß deklarieren. Diese Obliegenheit war auch nicht unter dem Gesichtspunkt suspendiert, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder sonst zur eigenen Überführung beizutragen. Ein Steuerpflichtiger, der Einkünfte aus Bestechungsgeldern anzugeben hat, kann seiner Erklärungspflicht bereits dadurch nachkommen, dass er diese Einkünfte betragsmäßig offen legt und einer Einkunftsart zuordnet, ohne die genaue Einkunftsquelle zu benennen. Denn diese Erklärung reicht regelmäßig zur Festsetzung der Einkommensteuer aus, durch die im Ergebnis eine Verkürzung von Steuern vermieden wird. Derartige Angaben, durch die sich der Steuerpflichtige nicht selbst einer Straftat bezichtigt, sondern lediglich Einkünfte offenbart, sind ihm ohne weiteres zumutbar. Die strafrechtliche Erzwingbarkeit dieser Erklärungspflicht im genannten beschränkten Umfang gerät regelmäßig nicht in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.
Soweit nach den §§ 93ff. AO darüber hinaus Erläuterungspflichten bestehen, die mit Zwangsmitteln durchsetzbar sind, ist der Steuerpflichtige zunächst durch das Steuergeheimnis des § 30 AO sowie das in § 393 Abs. 2 AO normierte begrenzte strafrechtliche Verwertungsverbot geschützt. Die erzwingbare Erklärungspflicht muss sich insoweit auf die (bloß) betragsmäßige Angabe der Einkünfte als solche beschränken. Der Steuerpflichtige kann nicht mit Zwangsmitteln zur Abgabe weitergehender Erläuterungen zur deliktischen Herkunft der Einkünfte angehalten werden.
Praxishinweis
Der 5. Strafsenat hat die Entscheidung genutzt, sich allgemein zur Praxis der Verfolgung von Wirtschaftsdelikten zu äußern. Nach seiner Erfahrung kommt es bei einer Vielzahl von großen Wirtschaftsstrafverfahren dazu, dass eine dem Unrechtsgehalt schwerwiegender Korruptions- und Steuerhinterziehungsdelikte adäquate Bestrafung allein deswegen nicht erfolgt, weil für die gebotene Aufklärung derart komplexer Sachverhalte keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Die seit der Tat vergangene Zeit und auch die Dauer des Ermittlungs- und Strafverfahrens lassen oft mehrjährige Freiheitsstrafen oder die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr zu. Dem Anliegen des Gesetzgebers, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts vor einer Erschütterung durch unangemessen milde Sanktionen zu bewahren, kann im Bereich des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts nach Eindruck des Senats nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz Rechnung getragen werden. Nur so werde es möglich sein, dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten. Dass sich die Landesjustizverwaltungen dieser Forderung nach einer Personalverstärkung beugen werden, ist indes nicht sehr wahrscheinlich.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 2.12.2005, 5 StR 119/05