Leitsatz

Stimmrechtsausschluss einer Mehrheitseigentümerin zur anstehenden neuen Verwalterbestellung (Wiederbestellung) wegen rechtsmissbräuchlicher Stimmrechtsausübung

 

Normenkette

§§ 24 Abs. 7, 21 Abs. 8, 27 WEG

 

Kommentar

  1. Eine Investitions- und Beteiligungsgesellschaft, die Ende 2010 in Insolvenz ging, war Mehrheitseigentümerin mit 72 % aller Miteigentums- und Stimmrechtsanteile. Im Herbst 2010 stand Neu- bzw. Wiederwahl der Verwaltung an, da deren Vertrag ablief. Weder in Versammlungen vom 31.8.2010, 28.10.2010 noch 23.11.2010 kam es zu einem Verwalterbestellungsbeschluss, da die Mehrheitseigentümerin eine Entscheidung mit ihren Mehrheitsstimmen verhinderte, um einem zukünftigen potenziellen Investor eine Erwerbsentscheidung zu erleichtern und nach eigenen Vorstellungen entscheiden zu können. In letzter Versammlung stimmten 12.094 Miteigentumsanteile für die Wiederbestellung der bisherigen Verwaltung, die Mehrheitseigentümerin mit 72/1.000stel Miteigentumsanteilen dagegen (bei 449 Enthaltungsstimmen). Der Wiederbestellungsbeschluss wurde von bisheriger Verwaltung als mehrheitlich angenommen verkündet, und zwar unter Hinweis darauf, dass die Mehrheitseigentümerin ihre Majorität zu gemeinschaftsfremden und eigennützigen Zwecken entgegen dem Willen der übrigen Eigentümer eingesetzt habe.

    Die Beschlussanfechtungsklage der Mehrheitseigentümerin hatte keinen Erfolg.

  2. Die Verwaltung durfte die Mehrheitseigentümerin vom Stimmrecht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ausschließen, sodass auch bei der Feststellung des Beschlussergebnisses deren Stimme unberücksichtigt bleiben konnte (vgl. BGH, NZM 2002 S. 959 und NZM 2012 S. 275). Die Mehrheitseigentümerin wollte vorliegend unter Ausnutzung ihres Stimmrechts die Neu- bzw. Wiederwahl einer Verwaltung schlechthin verhindern, um ihre Verhandlungsposition gegenüber einem potenziellen Investor zu verbessern; dabei nahm sie in Kauf, dass die Gemeinschaft mit Ablauf des 31.12.2010 ohne jede Verwaltung wäre. Eine erreichbare Verbesserung ihrer Verhandlungsposition käme ausschließlich ihr allein zugute; die Gemeinschaft würde davon nicht profitieren. Im Gegenteil wären aber die Interessen der Gemeinschaft für den Fall des Fehlens jeder Verwaltung in erheblicher Weise negativ beeinflusst. Die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters sind in § 27 WEG geregelt; Sinn und Zweck der Institutionalisierung eines Verwalters ist es, ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr insbesondere der rechtsfähigen Gemeinschaft zu gewähren (h.M.). Fiele ein Verwalter im neuen Jahr weg, wie dies die Mehrheitseigentümerin zumindest in Kauf nahm, wäre die Gemeinschaft trotz theoretischer Möglichkeit eines Gesamthandelns faktisch nicht mehr handlungsfähig. Der Relevanz einer funktionierenden Verwaltung hat der Gesetzgeber eine solche Bedeutung beigemessen, dass er durch § 21 Abs. 8 WEG den Gerichten die Gestaltungsmöglichkeit eröffnet hat, nach billigem Ermessen einen Verwalter zu bestellen. Die faktische Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft aus rein eigennützigen Motiven in Kauf zu nehmen, stellt ein treuwidriges Abstimmungsverhalten dar, sodass der Stimmrechtsausschluss auch nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach.

    Dies gilt auch dann, soweit der Mehrheitseigentümerin von bisheriger Verwaltung pflichtwidrig keine Beschluss-Sammlung übermittelt wurde. Insoweit besteht primär Berechtigung allein zur Einsicht in den Geschäftsräumen einer Verwaltung. Ein pflichtwidriges Verhalten, zumal ein solches, das eine Abberufung rechtfertigen könnte, ist damit nicht ersichtlich.

 

Link zur Entscheidung

AG Viersen, Urteil v. 25.10.2012, 30 C 31/10, NZM 2013 S. 688

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