Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer unterliegt in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG einem Stimmverbot, wenn er einen Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft führt und verfahrensbezogene Maßnahmen Gegenstand der Beschlussfassung sind

 

Normenkette

§ 25 Abs. 5 WEG

 

Das Problem

  1. Der spätere Kläger zu 2) nimmt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem Rechtsstreit auf Zahlung von 30.067,52 EUR in Anspruch.
  2. In der Versammlung vom 26. März 2008 wird unter TOP 6 erörtert, wie vonseiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf die Klage zu reagieren sei. Die Wohnungseigentümer beschließen dabei, den späteren Kläger zu 2) vom Stimmrecht auszuschließen. Weiter beschließen sie, "sich" (gemeint ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) gegen die Klage zu verteidigen und zur Durchsetzung "ihrer" Interessen einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Zudem wird "die Hausverwaltung" (gemeint ist der Verwalter) beauftragt, dem Rechtsanwalt eine übliche Prozessvollmacht zu erteilen.
  3. Die spätere Klägerin zu 1), die zugleich als Vertreterin des späteren Klägers zu 2) auftritt, stimmt jeweils mit nein. Die Nein-Stimme des Klägers zu 2) wird vom Verwalter im Hinblick auf den beschlossenen Stimmrechtsausschluss nicht gewertet.
  4. Hiergegen wenden sich die Kläger. Sie wollen den unter TOP 6 gefassten Beschluss für ungültig erklären und das Abstimmungsergebnis mit 2 Ja- und 2 Nein-Stimmen feststellen lassen. Das Amtsgericht Rüsselsheim weist die Klage ab, das Landgericht Frankfurt am Main weist die Berufung zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die beiden Kläger ihr Klageziel weiter.
 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Der Beschluss vom 26. März 2008 sei zu TOP 6 mit den vom Versammlungsleiter festgestellten und verkündeten Beschlussergebnissen gefasst worden. Für den Antrag, sich gegen die Klage zu verteidigen und einen Rechtsanwalt zu bestellen, habe sich die nach § 21 Abs. 3 WEG erforderliche Mehrheit gefunden, weil der Kläger zu 2) entsprechend § 25 Abs. 5 WEG von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen war.

    § 25 Abs. 5 WEG

    Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung […] die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft … .

  2. § 25 Abs. 5 WEG enthalte insoweit eine ausfüllungsbedürftige Lücke, als der Fall eines Rechtsstreits zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und einem Wohnungseigentümer nicht genannt wird. § 25 Abs. 5 WEG berücksichtige nicht, dass auch die "Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband" nach § 10 Abs. 6 WEG rechtsfähig ist und es damit zu Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und einzelnen Wohnungseigentümern kommen könne. Hierbei handle es sich um eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung von § 25 Abs. 5 WEG zu schließen sei.
  3. Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer gehöre allerdings zum "Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte" (Verweisung auf BGH v. 10.12.2010, V ZR 60/10, NJW 2011 S. 679 Rn. 10). Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten bilde, dürfe es nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden (BGH v. 19.9.2002, V ZB 30/02, BGHZ 152 S. 46, 57). § 25 Abs. 5 WEG sähe zwar kein allgemeines Stimmverbot bei jedweden Interessenkollisionen vor (Verweisung unter anderem auf Elzer in Jennißen, WEG, 3. Aufl. 2010, § 25 Rn. 86 und Bub in Staudinger, BGB, 2005, § 25 WEG Rn. 266), sondern beschränke den Ausschluss des Stimmrechts auf bestimmte, besonders schwerwiegende Fälle. Das schließe es aber nicht aus, die Norm in Fällen, in denen sich der Wohnungseigentümer einem Interessenkonflikt ausgesetzt sähe, der in seinem Ausmaß mit den gesetzlich festgelegten Tatbeständen identisch sei, entsprechend anzuwenden (Verweisung auf BGH v. 20.1.1986, II ZR 73/85, BGHZ 97 S. 9, 28, 33 und BGH v. 10.2.1977, II ZR 81/76, BGHZ 68 S. 107, 109, jeweils zu § 47 Abs. 4 GmbH). So liege der Fall hier. Zweck des in § 25 Abs. 5 WEG geregelten Stimmverbots sei es zu verhindern, dass der Prozessgegner auf das "Ob" und "Wie" einer gegen ihn gerichteten Prozessführung Einfluss nehmen könne (BGH v. 14.10.2011, V ZR 56/11, BGHZ 191 S. 198 Rn. 11). Bei einer Mitwirkung des beklagten Wohnungseigentümers an der auf das Verfahren bezogenen Willensbildung auch auf Klägerseite bestünde die nahe liegende Gefahr, dass eine sachgerechte Klärung der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Streitgegenstände erschwert oder gar verhindert würde, sei es, dass schon keine Klage erhoben würde, sei es, dass sachgerechte Anträge nicht gestellt würden oder der Rechtsstreit in sonstiger Weise nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben würde. Daher scheide eine Beteiligung an der Abstimmung über alle Beschlussgegenstände aus, die verfahrensbezogene Maßnahmen beträfen, worunter insbesondere Beschlüsse über die Einleitung des Rechtsstreits, die Art und Weise der Prozessführung und die Frage der verfahrensrechtli...

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