Leitsatz
Zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und den Gesellschaftern besteht kein durch den Untreuetatbestand des § 266 StGB geschütztes Treueverhältnis. Dies gilt auch für stille Gesellschafter, die sich mit einer Vermögenseinlage an der GmbH beteiligt haben.
Sachverhalt
Der angeklagte Geschäftsführer einer GmbH hatte durch ungesicherte Darlehensvergaben das gesamte Gesellschaftsvermögen – einschließlich der Einlagen zahlreicher stiller Gesellschafter – zweckwidrig verwendet. Das LG hat das Verfahren mangels örtlicher Zuständigkeit durch Prozessurteil nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde vom BGH verworfen, wobei er sich grundlegend zum strafrechtliche Schutz von Gesellschaftern äußert.
Entscheidung
Der Geschäftsführer einer GmbH ist befugt, über das Vermögen der Gesellschaft zu verfügen und sie anderen gegenüber zu verpflichten. Als Organ der Gesellschaft obliegt es ihm, deren Vermögensinteressen wahrzunehmen. Er ist daher tauglicher Täter einer Untreue zu Lasten der Gesellschaft. Eine Pflicht zur Betreuung der Vermögensinteressen der Gesellschafter trifft den Geschäftsführer dagegen nicht. Der Geschäftsführer einer GmbH steht mit den Gesellschaftern in keiner Beziehung, die die Grundlage einer strafrechtlich geschützten Treuepflicht bilden könnte. Seine Organstellung und der Anstellungsvertrag binden ihn nur an die Gesellschaft und verpflichten ihn zu einer Tätigkeit nur in ihren Angelegenheiten. Die Pflicht zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft kann ihn dabei – etwa bei der Durchsetzung von Nachschüssen oder bei Maßnahmen zur Erhaltung des Stammkapitals – gerade zu Entscheidungen anhalten, die mit den Vermögensinteressen der Gesellschafter in Konflikt treten. Reale Interessengegensätze zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft treten auch in jenen Fällen zutage, in denen die Gesellschafter durch Billigung gesellschaftsschädigender Handlungen die GmbH "ausbeuten", um sich auf deren Kosten zu bereichern.
Das Vermögen der GmbH entspricht auch nicht dem Vermögen der Gesellschafter im Sinne einer Teilidentität mit der Folge, dass sich Betreuungspflichten zugunsten des einen notwendig auf das andere erstreckten. Zwar ergibt sich das Vermögen der GmbH aus den Einlagen der Gesellschafter. Auch sind diese aufgrund ihrer Teilhabe- und Mitwirkungsrechte wirtschaftlich als Inhaber der Gesellschaft zu begreifen. In rechtlicher Hinsicht bleibt das Gesellschaftsvermögen für die Anteilseigner trotzdem Fremdvermögen. Der BGH hat deshalb wiederholt betont, dass der Tatbestand der Untreue die GmbH als eigene Rechtspersönlichkeit schützt. Träger der geschützten Vermögensinteressen ist die GmbH selbst als juristische Person, nicht jedoch ihr Gesellschafter. Zwischen dem Vermögen der Gesellschafter und dem Gesellschaftsvermögen besteht daher keine Überschneidung, die eine Pflichtenstellung des Geschäftsführers im Verhältnis zu den Gesellschaftern begründen könnte. Soweit sich die Tätigkeit des Geschäftsführers tatsächlich auf das Vermögen der Gesellschafter auswirkt, indem sie zu einer Verkleinerung des Anteilswerts oder Schmälerung von Gewinnausschüttungen führt, handelt es sich um mittelbare Folgen, die vom Untreuetatbestand nicht erfasst werden. Dies gilt umso mehr im Verhältnis zu (bloßen) stillen Gesellschaftern.
Praxishinweis
Der Staatsanwaltschaft bleibt es unbenommen, den früheren Geschäftsführer in einer neuen Anklage der Untreue zum Nachteil der Gesellschaft zu bezichtigen. Zuständig hierfür ist allerdings das Gericht, in dessen Bezirk die GmbH ihren Geschäftssitz hatte. Gegebenfalls muss das Ermittlungsverfahren daher an die Wohnortstaatsanwaltschaft abgegeben werden.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 25.4.2006, 1 StR 519/05