Leitsatz

Eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe bedingt in der Regel eine Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

 

Sachverhalt

Die Angeklagten führten in wechselnder Beteiligung in den 90er Jahren mit zahlreichen Unternehmen Bauleistungen aus, wobei erhebliche Umsatzsteuerbeträge verkürzt wurden. Teilweise wurden im Zusammenhang mit illegaler Arbeitnehmerüberlassung Umsätze "schwarz" erzielt, teilweise Betriebsausgaben mit Scheinrechnungen fingiert.

Das LG hat die Angeklagten – unter anderem wegen des Zeitablaufs seit der Tatbegehung – zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft war erfolgreich. Sie führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.

 

Entscheidung

Bereits in Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger dem Fiskus rechtmäßig erzielte Einkünfte verschweigt, um sie ungeschmälert für sich verwenden zu können, ist es nach Meinung des BGH äußerst fraglich, ob eine zur Bewährung aussetzungsfähige Freiheitsstrafe[1] noch dem Unrechtsgehalt einer Steuerhinterziehung gerecht werden kann, wenn der Hinterziehungsschaden deutlich im Millionenbereich liegt. Dies könne man nur dann uneingeschränkt bejahen, wenn erhebliche Strafmilderungsgründe vorhanden seien, beispielsweise eine weitgehende Schadenswiedergutmachung.

Im vorliegenden Fall haben aber zumindest die angeklagten Betreiber der betroffenen Unternehmen allein von dem Handel mit Scheinrechnungen gelebt und damit die "Steuerhinterziehung als Gewerbe" betrieben[2]. Einen gerechten Schuldausgleich stellen Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren jedenfalls dann grundsätzlich nicht mehr dar, wenn die Täter mit einem auf Dauer angelegten, gut organisierten und an veränderte Umstände anpassungsfähigen kriminellen Hinterziehungssystem jahrelang die Auszahlung hoher Geldbeträge bewirken und damit dem Fiskus Schäden in Millionenhöhe zufügen. Hinzu kommen weitere Schäden im Bereich der Lohnsteuer und der Sozialabgaben sowie die Schädigung der legal arbeitenden Bauwirtschaft, deren Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wird[3].

 

Praxishinweis

Der Senat rügt zum wiederholten Mal[4] und mit ungewohnt deutlichen Worten die aus seiner Sicht untragbare Berücksichtigung einer überlangen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren. Er ist der Auffassung, dass Strafmilderungen in Form von Bewährungsstrafen dem Ziel, die Rechtsordnung effektiv zu verteidigen, massiv zuwiderlaufen.

Insbesondere im Bereich der schweren Wirtschaftskriminalität, die der BGH für besonders sozialschädlich hält, will er "Strafabschläge", die auf justizielle Mängel – sprich: nicht ausreichende personelle und sachliche Ressourcen – zurückzuführen sind, nicht hinnehmen. Dass die Bundesländer, die konsequenterweise die Personalausstattung im Bereich der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität verbessern müssten, aufgrund dieser Mahnungen aktiv werden, muss man aber bezweifeln.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 29.11.2006, 5 StR 324/06

[1] Also eine Strafe von maximal zwei Jahren Freiheitsentzug
[2] Dazu ausführlich Joecks, Strafvorschriften im Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, wistra 2001, S. 201, 203f.
[3] Vgl. dazu den Bericht des Bundesrechnungshofs vom 3.9.2003, BT-Drs. 15/1495, S. 3, 10ff.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?