1 Leitsatz
Wird der Beschluss zur Abrechnung insgesamt – wenn auch nur unter formalen Gesichtspunkten – angegriffen, ist der Streitwert auf der Basis von 50 % des "ungekürzten Abrechnungssaldos" zu berechnen.
2 Normenkette
§ 49a GKG a. F.
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K geht gegen den Beschluss vor, mit dem die Wohnungseigentümer vor allem die Abrechnungen 2015 bis 2017 genehmigt haben. Das AG setzt den Wert auf 20.116,75 EUR fest. K habe nur einzelne Positionen angegriffen und seine Anfechtungsklage nur auf formale Einwände gestützt, weshalb nur 20 % des Gesamtbeitrags der Abrechnungen in Ansatz zu bringen seien.
4 Die Entscheidung
Das LG sieht das anders und setzt den Streitwert auf 31.894,48 EUR fest. Für die Bestimmung des Streitwerts sei jeweils der hälftige Nennbetrag der jeweiligen Abrechnung in Ansatz zu bringen. Werde ein Beschluss über die Genehmigung der Abrechnung angefochten und betreibe der Kläger die Ungültigerklärung des Beschlusses in seiner Gesamtheit, seien grundsätzlich 50 % des ungekürzten Abrechnungssaldos und die Höhe des in der Einzelabrechnung auf den Kläger umgelegten Kostenanteils heranzuziehen. So liege es im Fall. Dies ergebe sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des Klageantrags, sondern auch aus der Klagebegründung. Denn mit dieser seien nicht nur einzelne Positionen gerügt worden, sondern auch, dass die Beschlussfassungen insgesamt unwirksam seien. Dass K in erster Linie formale Mängel gegen die Beschlussfassungen vorgebracht habe, ändere nichts.
Hinweis
- Wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen den Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG a. F., mit dem eine Abrechnung und die ihr zugrundeliegenden Einzelabrechnungen genehmigt wurde, ist für die Ermittlung der Interessen u. a. zu prüfen, ob sich der klagende Wohnungseigentümer wirksam gegen die gesamte Abrechnung, nur gegen die Einzelabrechnungen oder nur gegen den Ansatz einzelner Kostenpositionen in den Einzelabrechnungen wendet. Stützt der klagende Wohnungseigentümer die Anfechtungsklage auf Einwendungen gegen die Abrechnung insgesamt, bemisst sich das Interesse der Parteien gem. § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. grundsätzlich nach dem hälftigen Nennbetrag der Abrechnung. Der "Additionsmethode", die das Interesse des Anfechtungsklägers, das sich auf den Betrag seiner Einzelabrechnung bezieht, und das Interesse der Beklagten, nämlich die Aufrechterhaltung der Abrechnung insgesamt, addiert und davon 50 % nimmt, ist entgegen dem LG nicht zu folgen. Der auf das Einzelinteresse der klagenden Wohnungseigentümer entfallende Einzelbetrag ist nämlich im Nennbetrag bereits enthalten.
- Wendet sich der klagende Wohnungseigentümer gegen eine streitige Kostenposition in den Einzelabrechnungen, ist der Wert dieser Kostenposition maßgeblich – grundsätzlich in voller Höhe. Anders liegt es aber, wenn die klagende Partei ihre Beanstandungen weiter einschränkt und sich mit ihrer Klage nicht grundsätzlich gegen die Pflicht wendet, Kosten für die entsprechende Position tragen zu müssen, sondern nur einen oder mehrere Berechnungsfaktoren für unzutreffend hält und meint, auf sie seien für die Position bei "richtiger" Berechnung weniger Kosten umzulegen. So liegt es etwa, wenn die Partei rügt, die Kosten seien nach einem falschen Umlageschlüssel umgelegt worden, oder wenn die Klagepartei geltend macht, der Instandhaltungsrückstellung fehlten Beträge, sei es, weil sie nicht eingezogen, sei es, weil sie falsch zugeordnet worden sind. Maßgeblich wäre auch dann nicht der Gesamtfehlbetrag, sondern nur der Anteil des Klägers an diesem Fehlbetrag. Macht der Anfechtungskläger formelle Mängel des Beschlusses über die Gesamtabrechnung geltend, steht wieder deren Gesamtwert im Streit; Entsprechendes gilt für die Einzelabrechnung.
Ausblick auf die WEG-Reform
Die WEG-Reform hat an der Frage, wie der Streitwert zu bestimmen ist, nichts geändert. Mit § 49 GKG n. F. gibt es aber für Beschlussklagen eine neue Sondervorschrift.
5 Entscheidung
LG Lüneburg, Beschluss v. 16.9.2019, 3 T 74/19