"Soweit durch Gemeinschaftsordnung oder Eigentümerbeschluss nichts anderes geregelt ist, kann der Leiter einer Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung grundsätzlich auch dadurch feststellen, dass er bereits nach der Abstimmung über zwei von drei (auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichteten) Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der dritten Abstimmungsfrage wertet (sog. Substraktionsmethode)"(1. Leitsatz des BGH)
Ein Versammlungsleiter hatte mangels abweichender Regelungen das Ergebnis der Abstimmung dadurch ermittelt, dass er zunächst nur die Nein-Stimmen und Enthaltungen abfragte und anschließend den Rest der Stimmen als Ja-Stimmen wertete. Dies stellt im vorliegenden Fall eine fehlerfreie Ermittlung des Abstimmungsergebnisses durch den Versammlungsleiter dar. Ihm obliegt auch – nach Prüfung der Gültigkeit der Stimmen – die Feststellung des Abstimmungsergebnisses, welches wiederum nach rechtlicher Beurteilung durch ihn zur Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses führt (vgl. BGHZ 148, 355, 342 f.). Er kann sich hierbei auch der sog. Substraktionsmethode bedienen und bereits nach der Abstimmung über 2 von 3 Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der 3. Abstimmungsfrage werten. Gerade bei größeren Eigentümerversammlungen – insbesondere bei vereinbartem Wert- oder Anteilsstimmrechtsprinzip – sind mit diesem Verfahren deutlichere Erleichterungen bei der Stimmenauszählung verbunden.
Bis zur abweichenden Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss v. 3.4.2000, 3 Wx 465/99, NJW-RR 2001, 11, 12 = ZMR 2000, 550) entsprach dieses Ergebnis auch bisher vorherrschender Rechtsmeinung (vgl. OLG Stuttgart v. 15.3.1990, 8 W 567/89 – nicht veröffentlicht; einschränkend jedoch Wangemann/Drasdo, Die Eigentümerversammlung nach WEG, 2. Aufl., Rn. 530: "Rückrechnung nur bei Feststellung auch der nicht abgegebenen Stimmen"). Damit war auch die Meinung des vorlegenden BayObLG (Beschluss v. 11.7.2002, 2Z BR 60/02, ZMR 11/2002, 851) zu bestätigen.
Bei der Zulässigkeitsprüfung einer solchen Stimmenauszählungsmethode ist zu beachten, dass es sich nur um ein rechnerisches Verfahren zur Erleichterung der Stimmenauszählung handelt; das Abstimmungsverhalten der Wohnungseigentümer ist einer Auslegung durch den Versammlungsleiter zugänglich. Bei den Stimmabgaben der Eigentümer handelt es sich um empfangsbedürftige Willenserklärungen gegenüber dem Versammlungsleiter, die zu einem Eigentümerbeschluss als mehrseitigem Rechtsgeschäft in besonderer Form eines Gesamtakts führen. Der Eigentümerbeschluss entsteht dann durch mehrere gleichgerichtete Willenserklärungen in gebündelter Form (vgl. BGH v. 10.9.1998, V ZB 11/98, ZfIR 1998, 713). Auf solche Willenserklärungen finden auch die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zur Anfechtbarkeit wegen etwaiger Willensmängel (§§ 119 ff. BGB) Anwendung; auch eine Auslegung der Stimmabgaben nach § 133 BGB ist hiernach eröffnet.
Wie jede andere Willenserklärung muss auch eine Stimmabgabe nicht "ausdrücklich" erfolgen.
Zwar ist das bloße Schweigen i.d.R. keine Willenserklärung; auch die unterlassene Teilnahme an der Abstimmung ist grundsätzlich nicht als Stimmabgabe zu werten. Allerdings kann u.U. auch ein Schweigen als Willenserklärung anzusehen sein, dem ausnahmsweise ein – durch Auslegung im Einzelnen zu bestimmender – Erklärungswert zukommt. Dies ist dann der Fall, wenn das Schweigen bei verständiger Würdigung aller Umstände nur die Bedeutung einer Willenserklärung haben kann, ihm also – nicht vorschnell zu bejahende – "unmissverständliche Konkludenz" zukommt. So ist von einer Willenserklärung mit bestimmtem Inhalt auszugehen, wenn der Erklärungsempfänger angesichts der Gesamtumstände nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine gegenteilige Äußerung des Schweigenden erwarten durfte ("beredtes Schweigen"). Haben nun Eigentümer keine gegenteiligen Regelungen getroffen (auch nicht durch möglichen Geschäftsordnungsbeschluss), hat der Versammlungsleiter über Maßnahmen zu befinden, die erforderlich sind, um den Mehrheitswillen korrekt festzustellen und diesen in Form von Eigentümerbeschlüssen umzusetzen. Somit entscheidet ein Versammlungsleiter insbesondere auch über die Reihenfolge der Fragen, mit der ein Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt wird. Soll diese Befugnis zur Leitung des Abstimmungsverfahrens ihr Ziel nicht verfehlen, müssen mit ihr entsprechende Obliegenheiten der Wohnungseigentümer korrespondieren, die ihre Grundlage letztlich in den Treuepflichten aus dem zwischen ihnen bestehenden Gemeinschaftsverhältnis finden. Wird mithin der Wille der einzelnen Eigentümer über einen entspr...