Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Frage, in welchem Umfang aus einer TÜ gewonnene Erkenntnisse einem BVV unterliegen, kann für den Verteidiger im EV von Bedeutung sein im Hinblick darauf, ob die durch die TÜ erlangten Informationen zur weiteren Sachaufklärung oder etwa zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen herangezogen werden dürfen.
2. Nach den häufigen Änderungen im Bereich des § 100a spielt in dem Zusammenhang ggf. auch die Frage eine Rolle, welches Recht anzuwenden ist.
3. In Betracht für die Annahme eines BVV kommen zunächst Fehler bei der Anordnung der TÜ.
4. Zu prüfen ist auch, ob die zu verwertenden Erkenntnisse ggf. nicht im Rahmen des Fernmeldeverkehrs/der Telekommunikation gewonnen worden sind, da solche Erkenntnisse ggf. unverwertbar sind.
5. Eine Rolle im Hinblick auf ein BVV kann eine Änderung der rechtlichen Beurteilung der Katalogtat spielen.
6. Ein BVV besteht für die Ergebnisse einer TÜ, wenn nach/trotz Wegfalls der Anordnungsvoraussetzungen weiterhin Telefongespräche aufgezeichnet worden sind.
7. Für die Behandlung von durch die TÜ gewonnenen (Zufalls-)Erkenntnissen gilt die allgemeine Verwendungsregelung in § 479.
8. Die Frage eines Verwertungsverbotes kann auch in einem späteren Meineidsverfahren gegen einen Zeugen eine Rolle spielen.
9. Die Verwertbarkeit der Äußerungen Dritter ist nicht ausgeschlossen.
10. Auch bei einer Telefonüberwachung nach dem G 10-Gesetz können sich BVV ergeben.
11. Nach der Rspr. des BVerfG erstreckt sich der Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) auch auf die von Privaten betriebenen Telekommunikationsanlagen.
12. Schließlich stellt sich, wenn die bei der TÜ gewonnenen Erkenntnisse unverwertbar sind, die Frage der sog. "Fernwirkung".
 

Rdn 4312

 

Literaturhinweise:

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