Alexander C. Blankenstein
Leitsatz
Die Verpflichtung einzelner Miteigentümer zur tätigen Mithilfe bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen Mehrheitsbeschluss ist grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise ergibt sich aus § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 WEG eine Beschlusskompetenz für eine tätige Mithilfe, wenn typischerweise in Hausordnungen derartige Pflichten geregelt sind. Das ist etwa bei einer Verpflichtung der einzelnen Miteigentümer zur Mithilfe bei Schneeräumarbeiten der Fall. Ob eine solche Regelung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist im Einzelfall durch Abwägung aller Umstände zu bestimmen. Dabei sind insbesondere die Größe der WEG, die Verteilungsgerechtigkeit, der Umfang der von den einzelnen Eigentümern zu leistenden Arbeiten, sowie etwaige in der Person eines einzelnen Miteigentümers liegenden Gründe, die für ihn eine Unzumutbarkeit begründen können, zu berücksichtigen.
Fakten:
Die aus vier Wohnungseigentümern bestehende WEG verfügt über einen im Winter zu räumenden Gemeinschaftsweg von 20 bis 25 Metern Länge zu zirka zwei Schaufelbreiten. Die Eigentümer beschlossen mehrheitlich, dass der Gemeinschaftsweg von Oktober bis März abwechselnd wöchentlich nach einem in dem Beschlussprotokoll beigegebenen Zeitplan durch die einzelnen Eigentümer geräumt und gestreut werden solle. Auf einer nachfolgenden Eigentümerversammlung ergänzten die Eigentümer den Beschluss um eine entsprechende Vergütungsregelung. Beide Beschlüsse wurden seitens einer Eigentümerin angefochten. Mithin ohne Erfolg. Das Gericht ist der Auffassung, dass die angegriffenen Beschlüsse, durch die die einzelnen Eigentümer verpflichtet werden, während der Wintermonate abwechselnd die Schneeräum -pflicht zu übernehmen, rechtmäßig sind.
Zwar ist eine Verpflichtung einzelner Wohnungseigentümer zur tätigen Mithilfe durch Mehrheitsbeschluss grundsätzlich unzulässig. Andererseits ergibt sich aus § 21 V Nr. 1 WEG eine spezielle Beschlusskompetenz zur Errichtung einer Hausordnung durch Mehrheitsbeschluss. Mit einer solchen Hausordnung dürfen dabei nach allgemeiner Definition grundsätzlich Verhaltensvorschriften geregelt werden, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen. Die Normierung des Winterdiensts ist daher grundsätzlich ein tauglicher Gegenstand der Hausordnung, weil sie der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung auf dem Anwesen im Winter dient.
Die Verpflichtung zu einer tätigen Mithilfe durch Mehrheitsbeschluss ist allerdings ausnahmsweise nur dann möglich, wenn es sich um einen Bereich handelt, der sehr häufig und typischerweise in Hausordnungen auf einzelne Eigentümer delegiert wird. Das ist hinsichtlich der Schneeräumpflicht ebenso der Fall, wie etwa bezüglich der Pflicht, das Treppenhaus zu reinigen. Ist eine solche Regelung in Hausordnungen derart häufig und üblich, muss und kann ein Eigentümer beim Erwerb seines Wohnungseigentums mit einer solchen Pflichtendelegation rechnen und sich darauf einstellen. Es tri ihn deshalb nicht schon von vornherein in unzumutbarer Art und Weise, wenn die Mehrheit später einen entsprechenden Beschluss fasst. Vielmehr kann eine solch typische Regelung grundsätzlich als zumutbar und angemessen erachtet werden.
Link zur Entscheidung
LG München I, Urteil vom 02.08.2010, 1 S 4042/10LG München I, Urteil vom 2.8.2010 – 1 S 4042/10
Fazit:
Diese Entscheidung ist schlicht ärgerlich. Soweit das Gericht zunächst zutreffend feststellt, dass Wohnungseigentümer gerade nicht beschlussweise zur tätigen Mithilfe verpflichtet werden können, wird dieser Grundsatz schließlich in geradezu unerträglicher Weise aufgeweicht. Insoweit ist schließlich auch die aktuelle Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.6.2010, Az.: V ZR 193/09; siehe Besprechung in der letzten Ausgabe) zu beachten, der gerade ausdrücklich klargestellt hat, dass keine Beschlusskompetenz besteht, den Wohnungseigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen.