Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag erläutert, wann, wo und für wen Tarifverträge gelten. Dabei wird im Rahmen des zeitlichen Geltungsbereiches dargelegt, ab wann ein Tarifvertrag Anwendung findet, insbesondere inwiefern ihm Rückwirkung zukommen kann. Bei der Beendigung der Geltung wird auf die Fortgeltung im Rahmen von Betriebsübergängen eingegangen. Der räumliche, betriebliche und fachliche Geltungsbereich wird weitgehend von den Tarifvertragsparteien selbst vorgegeben. Gleiches gilt zwar auch für den persönlichen Geltungsbereich; hier hat der Gesetzgeber für arbeitnehmerähnliche Personen aber eine Sonderregelung getroffen. Schließlich wird dargestellt, wie Tarifkonkurrenzen und Tarifpluralitäten aufzulösen sind. Für letztere gilt seit dem 10.7.2015 das Gesetz zur Tarifeinheit.
Gesetze, Vorschriften und Entscheidungen
Die Geltung von Tarifverträgen ist sehr allgemein in § 4 Abs. 1 TVG geregelt; für die Nachwirkung gilt § 4 Abs. 5 TVG. Die Auflösung einer Tarifpluralität erfolgt nach § 4a TVG. Die Sonderregelung für arbeitnehmerähnliche Personen findet sich in § 12a TVG. Alle weiteren, im Rahmen dieses Beitrags angesprochenen Themen, insbesondere die Mehrheit von Tarifverträgen, sind gesetzlich nicht geregelt, sondern basieren auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes.
1 Einführung
Tarifverträge bestimmen ihren Geltungsbereich selbst, d. h. sie legen eigenständig fest, für welche Arbeitsverhältnisse sie Wirkung entfalten sollen. Innerhalb des Geltungsbereichs wird üblicherweise nach zeitlichem, räumlichem, betrieblichem, fachlichem und persönlichem Geltungsbereich unterschieden.
Die Regelungen über den Geltungsbereich eines Tarifvertrags finden sich regelmäßig in seinem normativen Teil vor Beginn des eigentlichen Tarifinhalts oder in seinen Schlussbestimmungen am Ende des Tarifvertrags. Enthält ein Tarifvertrag ausnahmsweise keine oder nur unklare Angaben zu seinem Geltungsbereich, ist dieser ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Der Geltungsbereich wird durch die Tarifzuständigkeit der abschließenden Verbände begrenzt. Nur innerhalb der durch die Verbandssatzung gezogenen Grenzen können Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wirksam Tarifverträge abschließen. Der Geltungsbereich eines Tarifvertrags kann nicht rückwirkend verändert oder aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen zur Vermeidung einer Tariflücke ausgedehnt werden.
Die grundsätzlich bestehende Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien bei der Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags wird nach allgemeinen Regeln durch höherrangiges Recht begrenzt. Insbesondere müssen Diskriminierungsverbote beachtet werden, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht und der Verfassung ergeben.
Als unwirksam angesehen worden sind z. B. die Herausnahme von Lektoren, Teilzeitbeschäftigten und Werkstudenten aus dem Geltungsbereich eines Tarifvertrags.
Im Verhältnis von 2 zeitlich aufeinander folgenden Tarifverträgen gilt das sog. Ablösungsprinzip. Gilt für einen Betrieb nicht nur ein Tarifvertrag, so ist die bestehende Mehrheit von Tarifverträgen nach besonderen Konkurrenzgrundsätzen aufzulösen.
2 Zeitlicher Geltungsbereich
Der zeitliche Geltungsbereich bestimmt Beginn und Ende, also die Laufzeit eines Tarifvertrags.
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird regelmäßig im Tarifvertrag selbst vereinbart, oft in seinen Schlussbestimmungen. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung ist davon auszugehen, dass er mit seiner Unterzeichnung in Kraft treten soll. In den zeitlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags werden zunächst alle Arbeitsverhältnisse einbezogen, die nach seinem Inkrafttreten und vor seiner Beendigung abgeschlossen worden sind. Für sie gelten in jedem Fall alle Normen des abgeschlossenen Tarifvertrags.
Einstellung nach Inkrafttreten
Ein gewerkschaftsangehöriger Arbeitnehmer wird erst nach Abschluss des Tarifvertrags eingestellt. Hier gilt der Tarifvertrag vom ersten Tag seines Arbeitsverhältnisses an.
Beginnt das Arbeitsverhältnis dagegen erst nach Beendigung der Tarifwirkungen, wird es von seinem zeitlichen Geltungsbereich nicht mehr erfasst.
Daneben sind auch alle zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses bestehenden Arbeitsverhältnisse in seinen zeitlichen Geltungsbereich einbezogen, soweit nicht der Tarifvertrag abweichende Regelungen enthält. Problematisch ist lediglich, wenn der Tarifvertrag Abschlussnormen (z. B. Formvorschriften, Beschäftigungsverbote) enthält. Dann ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse entsprechend der tariflichen Neuregelung vom Arbeitgeber anzupassen sind. Ist dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich, entfällt eine et...