Unter dem Eindruck des fortschreitenden Zeitablaufs legte die EU-Seite Anfang 2018 einen ersten Entwurf eines aus ihrer Sicht denkbaren Austrittsvertrags vor, der im Anschluss an einen für den 29.03.2019 erwarteten Austritt eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2020 vorsah. Trotz von Beginn an bestehender Zweifel, ob diese Frist ausreichen würde, für die sich aus dem EU-Austritt ergebenden zahlreichen Einzelfragen eine umfassende und zufriedenstellende Lösung zu finden, hoffte man, dass man dies weitestgehend würde abschließen können, bevor die neue EU-Haushaltsperiode ab 2021 beginnen würde.

Großbritannien überführte seinerseits durch den sog. European Union (Withdrawal) Act, nach fast einjährigen Verhandlungen im Unterhaus, das bestehende EU-Recht zunächst in nationales britisches Recht. Damit wollte man sich die Flexibilität sichern, einerseits keinen "regellosen Zustand" eintreten zu lassen, wenn es zu keiner hinreichenden Übergangsfrist mit der EU käme, andererseits die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, in Einzelfall "souverän" darüber entscheiden zu können, welche der so überführten ehemaligen EU-Regeln man beibehalten, welche man streichen, ändern oder durch neue Regeln ersetzen wolle.

Erst im November 2018, das heißt gut vier Monate vor Ablauf der Austrittsfrist nach Art. 50 EUV, einigten sich beide Verhandlungsseiten auf einen umfangreichen Austrittsvertrag, der für Nordirland die sog. "Backstop"-Lösung beinhaltete:

Danach sollte das VK zunächst für einen Übergangszeitraum von bis zu 21 Monaten nach dem 29.03.2019 weiter die in der Europäischen Zollunion geltenden Außenzölle und EU-Herkunftsregeln anwenden. Zölle oder Warenkontrollen zwischen der EU und dem VK würden in dieser Zeit, mit wenigen Ausnahmen, auch noch ausgeschlossen. Das VK wäre allerdings in diesem Zeitraum daran gehindert, eigenständige Handels- und Zollabkommen mit Drittstaaten abzuschließen, sondern müsste die EU-Regeln einhalten, ohne darüber selbst mit entscheiden zu können. Sofern innerhalb dieser Frist eine praktikable Lösung gefunden würde, physische Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der EU (insbesondere gegenüber der Republik Irland) zu vermeiden, wäre ein früherer Ausstieg aus der Zollunion möglich. Darüber hätte indes weder Großbritannien noch Nordirland einseitig, d. h. ohne Zustimmung der EU, entscheiden können.

Im Dezember 2018 bestätigte der EuGH in einer Grundsatzentscheidung, dass Großbritannien seine Austrittserklärung vom 29.03.2017 nach Art. 50 EUV ohne Zustimmung der EU einseitig widerrufen könne (Urteil vom 10.12.2018, C 621/18, Wightman and others, EWS 2018, 327).

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