Bei den nachfolgenden Betrachtungen wird unterstellt, dass das VK nach dem Austritt aus der EU nicht Mitglied im EWR wird. Eine Mitgliedschaft im EWR (sog. Norwegen-Modell) würde gesellschaftsrechtlich den Status quo vor dem Brexit wieder einsetzen und damit den gesellschaftsrechtlichen Status vor dem Brexit wieder herstellen. Wie sich aus Art. 50 Abs. 3 EUV ergibt, wurde das VK mit dem Brexit zum Drittstaat. Die sich daraus ergebenden Folgen waren durch das im Jahr 2019 geschlossene Austrittsabkommen auf den 31.12.2020 verschoben worden, jedenfalls soweit das Gesellschaftsrecht betroffen war (dazu Abschnitt 2.2.2).
2.1 Britische Sichtweise
Das VK vertritt auch nach dem Brexit weiter die Gründungstheorie, d. h., es wird z. B. einer britischen Limited auch weiter erlauben, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland zu verlegen oder diesen dort zu belassen. Insoweit hat der Brexit aus britischer Sicht für im VK gegründete Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland aus gesellschaftsrechtlicher Sicht keine Folgen (s. zu den Folgen in Deutschland aber Abschnitt 2.2.1.1). Umgekehrt wird das VK, aus rein gesellschaftsrechtlicher Sicht, keinen Anstoß daran nehmen, wenn eine in Deutschland gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in das VK verlegt oder dort belässt.
Im Hinblick darauf, dass das VK seit dem 01.01.2021 als Drittstaat zu qualifizieren ist, haben sich aber auch für dort registrierte Gesellschaften mit EU/EWR-Bezug Änderungen ergeben. So hat die britische Regierung über ihre Website angekündigt, dass EU/EWR-Gesellschaften mit Niederlassung im VK mit dem Brexit die Berichtspflichten wie Gesellschaften aus Drittstaaten zu beachten haben. Für sog. "corporate officers" aus EU/EWR-Staaten sind von britischen Gesellschaften nach dem Brexit zusätzliche Angaben beim dortigen Handelsregister (Companies House) zu machen (https://www.gov.uk/guidance/changing-your-company-registration-from-1-january-2021, zuletzt abgerufen am 03.02.2020).
Praxishinweis
Die britische Regierung hatte ihre Website zwischenzeitlich insoweit aktualisiert, als für die Erfüllung dieser Pflichten eine Übergangsfrist von drei Monaten ab dem 01.01.2021 galt (https://www.gov.uk/guidance/changing-your-company-registration-from-1-january-2021, zuletzt abgerufen am 03.03.2020). Gesellschaften, die im VK eine im Companies House registrierte Niederlassung haben, sollten den vorgenannten Compliance-Anforderungen nachkommen, soweit noch nicht geschehen.
2.2 Deutsche Sichtweise
Für die deutsche Sichtweise müssen verschiedene Zeiträume unterschieden werden.
2.2.1 Rechtslage seit Ablauf des Übergangszeitraums
Der für das Gesellschaftsrecht geltende harte Brexit hat dazu geführt, dass die europäische Gründungstheorie im Verhältnis zum VK grundsätzlich nicht mehr anzuwenden ist. Dies gilt mit Ablauf des im Austrittsabkommen aus dem Jahr 2019 vereinbarten Übergangszeitraums (s. dazu Abschnitt 2.2.2) seit dem 01.01.2021. Nicht abschließend geklärt ist, ob es einen Bestandsschutz für zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Gesellschaften gibt. In der juristischen Literatur wird zum Teil vertreten, dass ein solcher Vertrauens- und Bestandsschutz unumgänglich sei und sich auch auf verschiedene Weise herleiten lasse (Nachweise bei Schmidt, ZIP 2019, 1093).
Die wohl herrschende Meinung in der Literatur lehnt demgegenüber einen Vertrauens- oder Bestandsschutz ab (Luy, DNotZ 2019, 484 mit weiteren Nachweisen). Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.12.2018 (4. UmwÄndG) gegen einen allgemeinen Bestandsschutz entschieden. Dies begründete er damit, dass eine dauerhafte Anerkennung der Rechtsform der betreffenden Gesellschaften zu einer ungerechtfertigten Privilegierung gegenüber deutschen Gesellschaften führen würde (Regierungsentwurf zum 4. UmwÄndG, BT-Drs. 19/5463).
2.2.1.1 Im Vereinigten Königreich gegründete Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland
Nach wohl herrschender Meinung ist das VK (auch) gesellschaftsrechtlich seit dem Brexit (also seit Ablauf des Übergangszeitraums) als Drittstaat zu behandeln (vgl. Abschnitt 1.3). Die Folge ist, dass im VK gegründete Gesellschaften seit dem 01.01.2021 in Deutschland nach der strengen Sitztheorie zu behandeln sind.
Eine britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland muss also nach deutschem Gesellschaftsrecht beurteilt werden. Für eine Anerkennung als Kapitalgesellschaft müssten betroffene Gesellschaften die Anforderungen des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts erfüllen, damit deren Gesellschafter in den Genuss der darin geregelten Haftungsprivilegien kommen (Jaschinski/Wentz, WM 2019, 438). Eine Qualifizierung als britische Kapitalgesellschaft mit Haftungsbeschränkung ist nicht (mehr) möglich, weil die Gesellschaft nicht nach den Regeln des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts (z. B. GmbHG oder AktG) gegründet worden und nicht als solche im Handelsregister eingetragen ist. Stattdessen ist die Gesellschaft, vergleichbar einer Vorgründungsgesellschaft, als Personengesellschaft zu behandeln. Wie unter Abschnitt 1.2.1 bereits beschrieben, sind die Gesellschaften je nach wirtschaftlicher Betätigung entweder als OHG oder a...