Christof K. Letzgus, Dr. Ronald Gebhardt
2.1 Unmittelbare transaktionsbezogene Auswirkungen
2.1.1 Unmittelbare ertragsteuerliche Auswirkungen des Brexits in Outbound-Strukturen
Hauptanliegen des Brexit-StBG (BGBl I 2019, 357), das am 29.03.2019 in Kraft getreten ist, war es, sicherzustellen, dass die mit dem Austritt des VK aus beiden Gemeinschaften (EU und EWR) einhergehende Rechtsänderung für sich genommen keine steuerliche Gewinnrealisierung oder Nachversteuerung stiller Reserven z. B. aufgrund einer während der EU bzw. EWR-Mitgliedschaft des VK vorgenommenen Umstrukturierung mit nachlaufenden Haltefristen auslöst. Der Gesetzgeber hat es allerdings vermieden, dieses Anliegen in eine Art gesetzliche Generalklausel zu fassen, sondern sich auf punktuelle Regelungen in einzelnen Steuervorschriften beschränkt (zu den punktuellen Änderungen des Brexit-StBG s. u. a. Zöller/Steffens, IStR 2019, 286), mit der Folge, dass kein umfassender Schutz vor transaktionsbedingten steuerlichen Nachteilen des Brexits für die Unternehmen erzielt wurde (vgl. dazu Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, 2013, Letzgus in Crasselt/Lukas/Mölls/Timmreck, 318, Kessler/Spychalski, IStR 2019, 232; s. demgegenüber aber BMF vom 26.10.2018, BStBl I 2018, 1104). Anders als das Brexit-ÜG (BGBl I 2019, 402) ist das Brexit-StBG nicht zwingend vom Austrittsabkommen der EU mit dem VK (ABl. EU 2019/C 384 I/01 vom 12.11.2019) abhängig.
2.1.2 Anknüpfung transaktionsbezogener Ertragsteuerregelungen an Ansässigkeit oder Zugehörigkeit zu einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR
Das deutsche Ertragsteuerrecht knüpft in zahlreichen einzelnen Vorschriften an eine Zugehörigkeit von Unternehmen oder Wirtschaftsgütern zu einem Mitgliedstaat der EU und in einigen Fällen an eine Zugehörigkeit zu einem EWR-Mitgliedstaat an. Allerdings fehlt eine allgemeine Regelung oder auch nur ein konsistent durchgeführtes, einheitliches Regelungskonzept der betroffenen Einzelregelungen (Schnitger, a. a. O., Letzgus, a. a. O.)
2.1.2.1 Anwendung des UmwStG auf praxisrelevante künftige Outbound-Umwandlungen nach UK
Für Umwandlungen, die unter das UmwStG fallen, kann der umwandelnde Rechtsträger bei Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen eine sofortige steuerwirksame Aufdeckung stiller Reserven vermeiden und der übernehmende Rechtsträger regelmäßig in diesen Fällen die steuerlichen Buchwerte der übergehenden Wirtschaftsgüter fortführen. Soweit der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG vor fast 15 Jahren in stärkerem Maße "europäisiert" wurde, betrifft dies nach § 1 Abs. 2 und Abs. 4 UmwStG insbesondere Unternehmen, die nach den Vorschriften eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates gegründet wurden und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich im Zeitpunkt der Umwandlung in der EU oder im EWR befinden.
Die Steuerneutralität eines Umwandlungsvorgangs erfordert nach dem UmwStG grundsätzlich, dass der übernehmende und der übertragende Rechtsträger diese persönlichen Merkmale vorweisen. Auf diesen "doppelten Europabezug" verzichtet das UmwStG de lege lata bislang lediglich in den folgenden drei Fällen, in denen ein übertragender Rechtsträger bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen auch in einem Drittland ansässig sein kann:
- Einbringung nach § 24 UmwStG in eine inländische Mitunternehmerschaft;
- Anteilstausch gem. § 21 UmwStG;
- Umwandlungsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 UmwStG, vorausgesetzt, dass das inländische Besteuerungsrecht an einem Veräußerungsgewinn der erhaltenen Anteile weder ausgeschlossen noch beschränkt ist.
Gemäß der Auffassung der Finanzverwaltung (Tz. 01.52 des Umwandlungssteuererlasses vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314) ist grundsätzlich – zumindest auch – auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit einer Umwandlung abzustellen (so z. B. Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG, Rz 121).
Insoweit erscheint es problematisch, ob nach dem Austritt des VK aus der EU (ohne Wiedereintritt in den EWR) bzw. nach Ablauf des im Austrittsabkommen vereinbarten Übergangszeitraums die Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG generell, d. h. abgesehen von speziellen Übergangsregelungen, die durch das Brexit-StBG punktuell eingeführt wurden, genutzt werden kann, wenn die Umwandlung rechtlich erst nach dem Brexit/dem Ablauf des Übergangszeitraums wirksam wird (ablehnend nunmehr Erlass des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 7. Mai 2021 – VI 313-S 1978-172, FMNR2c6550021).
Allerdings wäre es auf Grundlage der weiter oben genannten Verwaltungsauffassung im Anwendungserlass zum UmwStG, die im Ausgangspunkt auf das Vorliegen der Voraussetzungen zum Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtages abstellt, konsequent, eine steuerneutrale Umwandlung auch dann noch zuzulassen, wenn die Umwandlung im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen erst 2021 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet oder der Einbringungsvertrag geschlossen würde und bei dieser Umwandlung als steuerlicher Übertragungsstichtag der 31.12.2020, mithin ein Datum vor Ablauf des nach dem Brexit vereinbarten Übergangszeitraums, gewählt würde.
Die coronabedingte Verlängerung des maximal zulässigen Rückwirkungszeitraums von acht auf zwölf Monate für bestimmte Umwandlungen, die im Jahr 2021 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden oder bezüglich derer der Einbringungsvertrag abgeschlossen wird (Verordnung zu § 27 Abs. 15 UmwStG vom 18.12.2020, BGB...