Christof K. Letzgus, Dr. Ronald Gebhardt
Nach Art. 1 Abs. 1 der Zins- und Lizenzrichtlinie (konsolidierte Fassung ABl. EU vom 01.01.2007 – 20031L0049 – DE – 002.001) sind nicht nur "vertikale" Zins- und Lizenzzahlungen zwischen in der EU ansässigen Mutter- und Tochtergesellschaften der im Anhang genannten Rechtsformen grundsätzlich von der Erhebung von Quellensteuern im Quellenstaat befreit. Gleiches gilt vielmehr auch für Zahlungen zwischen EU-Schwestergesellschaften einer gemeinsamen EU-Muttergesellschaft (im Einzelnen vgl. die Definition zu "verbundenes Unternehmen" in Art. 3 Buchst. b der Richtlinie).
Nach dem Brexit bzw. dem Ablauf des vereinbarten Übergangszeitraums ergeben sich insoweit keine unmittelbaren Konsequenzen für Zins- oder Lizenzgebührenzahlungen i. S. v. Art. 11 Abs. 2 DBA-UK bzw. Art. 12 Abs. 2 DBA-UK, die eine Gesellschaft, die in Großbritannien ansässig ist, an eine Gesellschaft, die in Deutschland ansässig ist, leistet (vgl. die Bestimmungen der Art. 11 Abs. 1 bzw. Art. 12 Abs. 1 DBA-UK, in denen das diesbezügliche Besteuerungsrecht jeweils ausschließlich dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat zugewiesen wird), wobei die jeweils für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen vorgesehenen Verfahrensvorschriften zu beachten sind.
Demgegenüber kann es zu Quellensteuererhebungen bei horizontalen Zahlungen zwischen einer britischen Gesellschaft und einer Gesellschaft in einem anderen EU-Staat kommen, sofern diese vor dem Brexit durch die Zins- und Lizenzrichtlinie begünstigt waren und sofern es einen geringeren Schutz nach dem anschließend "nur" noch anwendbaren DBA gibt.
Fallbeispiel 9
Die UK Limited und die bulgarische BU-OOD sind jeweils 100 %ige Tochtergesellschaften der M-GmbH.
Die UK Limited leistet nach Ablauf des im Austrittsabkommens vereinbarten Übergangszeitraums eine Zinszahlung i. H. v. umgerechnet 1 Mio. EUR and die BU-OOD. Die BU-OOD leistet umgekehrt eine Lizenzgebührenzahlung von umgerechnet 1 Mio. EUR an die UK Limited.
Lösung
Sofern keine Ausnahmetatbestände greifen (etwa für Eurobonds im Hinblick auf die UK-Quellensteuer auf Zinszahlungen), sollte nach dem DBA UK-Bulgarien auf jede der beiden Zahlungen eine Quellensteuer von 5 % anfallen (in UK für die Zinszahlung, in Bulgarien für die Lizenzgebühr), da die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie diese Zahlungen zwischen einer EU-Gesellschaft (BU OOD) und einer Drittlandsgesellschaft (UK Limited) nach dem Ablauf des Übergangszeitraums) nicht mehr schützt.
Inwieweit diese Quellensteuern auf die Körperschaftsteuer beim Empfänger anrechenbar sind, wäre gesondert zu prüfen. Mögliche weitere Implikationen (etwa im Hinblick auf die Hinzurechnungsbesteuerung in Deutschland) bleiben an dieser Stelle außer Betracht.
Praxishinweis
Bestehende Finanzierungs- und Lizenzstrukturen unter Beteiligung britischer Tochtergesellschaften in einem deutschen Konzern sollten rechtzeitig auch im Hinblick auf etwaige künftige Quellensteuereinbehalte geprüft und ggf. angepasst werden. Sofern keine Anpassung in Betracht kommt, ist die Compliance auf die neue Rechtslage anzupassen (Quellensteuereinbehalt im Quellenstaat, ggf. Anrechnung im Empfängerstaat).
Schließlich sollten bestehende Finanzierungs- und Lizenzverträge auch darüber hinaus im Hinblick auf territoriale Anknüpfungspunkte, Covenants u. a. überprüft werden.