Christof K. Letzgus, Dr. Ronald Gebhardt
Nach § 138 AO haben inländische Steuerpflichtige die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im In- und Ausland unter den dort genannten Voraussetzungen und innerhalb der dort vorgesehenen Fristen bei dem für ihre Besteuerung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Für Beteiligungen an Drittstaaten gehen die Anzeigepflichten über diejenigen hinaus, die für inländische und EU-Beteiligungen vorgesehen sind.
Nach § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO ist u. a. "die Tatsache" anzuzeigen, "dass [inländische Steuerpflichtige] allein oder zusammen mit nahestehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben können".
Drittstaat-Gesellschaft definiert Abs. 3 der Vorschrift als "eine Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind". Das Europäische Freihandelsabkommen umfasst neben den EWR Staaten, die nicht bereits EU-Mitgliedstaaten sind, zusätzlich die Schweiz, die weder EU- noch EWR-Mitgliedstaat ist.
Zusätzlich ist nach § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO "die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebs, der Betriebsstätte, der Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung, Vermögensmasse oder der Drittstaat-Gesellschaft" zu melden.
Diese Informationen sollen es der Finanzverwaltung insbesondere erleichtern, Sachverhalte zu prüfen, die möglicherweise der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG unterliegen. Fraglich ist, ob der Brexit für sich genommen bereits eine Anzeigepflicht nach diesen Bestimmungen auslösen kann.
Beispiel
Die M-GmbH ist seit 20 Jahren mit weniger als 10 % am Kapital der UK Limited beteiligt. Allerdings übt sie seit ca. 10 Jahren zusammen mit weiteren mit ihr verbundenen Unternehmen einen bestimmenden Einfluss auf die UK Limited aus. Die Verhältnisse sind seit 10 Jahren unverändert. Am 31.12.2020 läuft die Übergangsfrist aus dem Austrittsabkommen ohne weitere Verlängerung ab.
Besteht eine Anzeigepflicht gem. § 138 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 AO?
Lösung
Weder das HKA über das künftige Verhältnis zwischen dem VK und der EU noch das Brexit-StBG enthalten dazu eine Regelung.
Gegen eine Anzeigepflicht spricht, dass die erstmalige Einflussnahme schon mehr als 10 Jahre zurückliegt.
Der Brexit und die Befristung des Übergangszeitraums sind außerdem keine Veränderungen auf der tatsächlichen Ebene, sondern als juristischer Vorgang bzw. Regelung der Finanzverwaltung von Amts wegen bekannt.
Bei Einführung dieser Anzeigepflicht im Jahr 2017 sah die Anwendungsregelung in § 32 EGAO vor, dass eine über den 01.01.2018 fortbestehende Einflussnahmemöglichkeit auf eine Drittlandsgesellschaft, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes begründet worden war, nachzuholen sei. Der Fall, dass die Einflussnahmemöglichkeit schon über einen mehrjährigen Zeitraum unverändert besteht, und dass nur das rein juristische Attribut einer Drittlands-Gesellschaft ohne Änderung des Sachverhalts neu hinzutritt, ist auch in dieser Übergangsvorschrift nicht ausdrücklich geregelt. Jedoch geht offenbar die Finanzverwaltung davon aus, dass der Brexit ohne jegliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bereits eine Anzeigepflicht nach § 138 AO auslöst (https://www.bzst.de/SharedDocs/ Kurzmeldungen/DE/2021_Kurmeldungen/20210324_mitteilungspflicht_138_Abs_2_AO.html, zuletzt abgerufen am 23.06.2021).
In den Fällen des – alleinigen oder gemeinsam mit verbundenen Unternehmen – beherrschenden Einflusses über Drittlands-Gesellschaften i. S. d. § 138 Abs. 3 AO besteht zudem eine besondere steuerliche Aufbewahrungspflicht von für die Beziehung zu diesen Auslandsaktivitäten relevanten Unterlagen nach § 147a Abs. 2 AO.