Christof K. Letzgus, Dr. Ronald Gebhardt
3.1 Unmittelbare transaktionsbezogene Auswirkungen
3.1.1 Unmittelbare ertragsteuerliche Auswirkungen des Brexits
3.1.1.1 Anwendung des UmwStG auf praxisrelevante künftige Inbound-Umwandlungen
3.1.1.1.1 Persönliche Anwendungsvoraussetzungen im UmwStG
Das Brexit-StBG beinhaltet keine Regelung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des UmwStG vorliegen müssen. Fraglich ist dabei insbesondere, ob die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 und Abs. 4 UmwStG im Hinblick auf die zahlreichen Rückwirkungsmöglichkeiten, die das UmwStG vorsieht, (nur) am steuerlichen Übertragungsstichtag oder (auch) zum Zeitpunkt der tatsächlichen Umstrukturierung vorliegen müssen.
Auf Grundlage der im UmwStErlass zum Ausdruck kommenden Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Tz. 01.52 sowie 01.55) ist entscheidend darauf abzustellen, dass die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen am steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen müssen (so auch Klingberg in Blümich, § 1 UmwStG, Rz. 15, 23; Kraft in Kraft/Edelmann/Bron, § 1 UmwStG Rz. 11; Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, UmwStG § 1, Rn. 178 unter Hinweis auf eine Indizwirkung entsprechender Bezugnahmen auf diesen Stichtag in den Fällen des § 1 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 UmwStG; a. A. mit guten Gründen Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 1 UmwStG, Rz. 121; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 1 UmwStG Rz. 70). Da nach Auffassung der Finanzverwaltung die Herstellung der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erst zu einem späteren Zeitpunkt – nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag aber vor Wirksamwerden der Umwandlung durch Eintragung der Umwandlung in das maßgebliche Register – nicht ausreichen soll, sollte es, abgesehen von bestimmten, gesondert geregelten Haltefristen, umgekehrt auch nicht darauf ankommen, ob die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag noch fortbestehen.
Es wäre zumindest auf Grundlage der Sichtweise der Finanzverwaltung konsequent und insofern auch wünschenswert, wenn diese klarstellend bestätigen würde, dass Umwandlungsmaßnahmen auch dann unter das UmwStG fallen, wenn sie nach dem Ablauf des im Austrittsabkommen vorgesehenen Übergangszeitraums wirksam, aber mit steuerlicher Wirkung auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des Übergangszeitraums zurückbezogen werden. Abschließende Rechtssicherheit würde insoweit allerdings nur eine gesetzliche Klarstellung bringen.
Solange es diese Klarstellung nicht gibt, sollte, sofern keine vorherige Abstimmung mit der Finanzverwaltung im Einzelfall in Betracht kommt, aus planerischer Sicht darauf geachtet werden, dass die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen einer begünstigten Umwandlung möglichst sowohl bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag wie auch noch zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit vorliegen. Im Zweifel sind Umwandlungsformen vorzuziehen, bei denen es bereits gesetzlich gesicherte zeitliche Erleichterungen gibt (vgl. § 122 m UmwG i. d. F. des Brexit-StBG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 3 UmwStG i. d. F. d. Brexit-StBG). Dies setzt allerdings regelmäßig voraus, dass bereits vor Ablauf des 31.12.2020 ein Verschmelzungsplan bzw. Umwandlungsbeschluss wirksam gefasst und notariell beurkundet wurde. Die Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister mit anschließender Eintragung kann dann auch noch nach Ablauf des Brexit-Übergangszeitraums nachfolgen.
3.1.1.1.2 Verschmelzungen und Spaltungen britischer Körperschaften nach dem Brexit
Nach dem Brexit bzw. dem Ablauf des Übergangszeitraums fallen Verschmelzungen und Spaltungen von Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in Großbritannien nicht mehr unter das UmwStG. Für Verschmelzungen von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften in einem Drittstaat auf eine andere Körperschaft desselben ausländischen Staates sieht § 12 Abs. 2 KStG unter bestimmten Voraussetzungen eine vergleichbare Rechtsfolge wie die §§ 11 ff. UmwStG vor. Für Spaltungsvorgänge besteht eine entsprechende Regelung nicht (vgl. Link, IWB Nr. 1 vom 11.01.2019, 38, 43, i. Ü. s. a. Abschnitt 2, Outbound).
Nach dem Körperschaftsteuer-Modernisierungsgesetz (KöMoG) vom 25.06.2021 sollen die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 UmwStG der beteiligten Rechtsträger im Hinblick auf Gründung, Satzungssitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat für Verschmelzungen sowie Auf- oder Abspaltungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften als übertragenden Rechtsträgern gestrichen werden. Die Neuregelung soll erstmals für Umwandlungsvorgänge greifen, deren steuerlicher Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2021 liegt. Damit würde die Anwendung des UmwStG bei Beteiligung britischer Kapitalgesellschaften nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass diese nunmehr Drittstaatengesellschaften sind. Allerdings setzt die Steuerneutralität dieser Vorgänge regelmäßig u. a. voraus, dass kein deutsches Besteuerungsrecht entfällt oder beschränkt wird. Dies wäre in jedem Einzelfall zu prüfen. Für den Fall, dass die Umwandlung nach ausländischem Gesellschaftsrecht erfolgt, setzt dies nach der Gesetzesbegründung zum KöMoG zudem voraus, dass dieser Umwandlungsvorgang mit den im UmwG geregelten Umwandlungsarten strukturell vergleichbar ist. Dies erscheint bei einer Umwandlung nach britisch...