Kai-Thorsten Röller, Carolin Babel
Seit dem 25.03.2019 hat der deutsche Gesetzgeber (vorausschauend) gesetzlich geregelt, dass grunderwerbsteuerlich relevante Erwerbsvorgänge, die allein auf dem Austritt des VK aus der EU beruhen, von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sind (§ 4 Nr. 6 GrEStG, angefügt durch Gesetz vom 25.03.2019, BGBl I 2019, 357 Brexit-StBG). Mit dem JStG 2020 vom 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096 hat er dann entsprechend geregelt, dass die Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG nicht allein durch den Austritt entfallen sollen. Damit wurden jedoch nicht alle Fragen rund um den Brexit und die Grunderwerbsteuer beantwortet (Stand 03/2021, außer Punkt 4, dort Stand 05/2021).
1.1 Zivilrechtlicher Hintergrund mit grunderwerbsteuerlichem Bezug
Das deutsche Grunderwerbsteuerrecht ist stark zivilrechtlich geprägt. Aus diesem Grund soll zunächst der grunderwerbsteuerlich bedeutsame zivilrechtliche Rahmen des Brexits zusammenfassend dargestellt werden.
Die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) nach EU-Recht führte in Verbindung mit der europäischen Gründungstheorie bislang dazu, dass die private limited company by shares (Limited – Ltd.) oder public limited company (PLC – zusammen im Folgenden auch "britische Gesellschaften") in allen EU-Staaten als Kapitalgesellschaften anerkannt werden (vgl. Teil B Abschnitt 1.1 und 1.2.3). Mit dem Austritt des VK aus der EU, genauer gesagt mit Ende des Übergangszeitraums gem. dem Abkommen über den Austritt aus der EU (am 01.01.2021) gelten diese Regelungen für die britischen Gesellschaften nicht mehr. Substituierend ist nach deutschem Gesellschaftsrecht die (modifizierte) Sitztheorie anzuwenden, die auf den Verwaltungssitz einer Gesellschaft als Anknüpfungspunkt des für sie geltenden Rechts abstellt. Aufgrund des Numerus clausus der Gesellschaftsformen in Deutschland sind die Gesellschaften demnach als Personen(handels)gesellschaften oder Einzelunternehmen/Privatvermögen zu qualifizieren (ausführlich dazu: Teil B Abschnitt 1.2.1 und 2.2.1.1).
Die folgenden grunderwerbsteuerlichen Ausführungen sind von Bedeutung, wenn britische Gesellschaften zum Ende des Übergangszeitraums gem. dem Abkommen über den Austritt aus der EU am 01.01.2021 über inländischen Grundbesitz verfügten oder an grundbesitzenden Gesellschaften beteiligt waren.
1.2 Geregelter Brexit/Übergangszeitraum
Der deutsche Gesetzgeber hat zum 27.03.2019 ein Gesetz erlassen [Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Übergangsgesetz – Brexit-ÜG) vom 27.03.2019, BGBl I 2019, 402], nach dem im Bundesrecht vorbehaltlich gewisser Ausnahmen das VK übergangsweise weiterhin als Mitgliedstaat der EU gilt. Dieses Gesetz ist seit dem Tag in Kraft, an dem das Abkommen über den Austritt des VK aus der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft in Kraft getreten ist. Es setzt den Übergangszeitraum aus dem Austrittsabkommen in nationales Recht um und galt demnach bis zum 31.12.2020 (Ende des Übergangszeitraums).
Aus deutscher Sicht war deshalb im Jahr 2020 die Niederlassungsfreiheit weiterhin auf die Gesellschaften anzuwenden und daraus folgten, jedenfalls solange die Übergangszeit gem. dem Abkommen dauerte, keine grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen (zu den Folgen des Abkommens, insbes. im Übergangszeitraum, aus gesellschaftsrechtlicher Sicht vgl. Teil B Abschnitt 2.2.2).
Während des Übergangszeitraums wurde durch die EU (oder Deutschland) nicht gesetzlich geregelt, dass die britischen Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland weiterhin als Kapitalgesellschaften anerkannt werden.
1.3 Ungeregelter Brexit/Ablauf des Übergangszeitraums
Die folgenden Ausführungen zu den grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen des Brexits erfolgen insbesondere deshalb, weil keine Regelungen zur Anerkennung der britischen Gesellschaften für die Zeit nach dem Übergangszeitraum getroffen wurden. Dies führte in bestimmten Fallkonstellationen zu grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsträgerwechseln. Bei den Folgen des Brexits ist zwischen britischen Gesellschaften mit einem Gesellschafter und solchen mit mehreren Gesellschaftern zu unterscheiden.
1.3.1 Alleingesellschafter
Gesellschaftsrechtlich ist der Fortbestand als Personengesellschaft nicht möglich, wenn die britische Gesellschaft nach Ablauf des Übergangszeitraums nur einen Gesellschafter hat (so auch der Gesetzgeber, s. BT-Drs. 19/7959, zu Art. 6 – neu – Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes). In diesem Fall wird die Gesellschaft in Deutschland zivilrechtlich wie ein Einzelunternehmen oder wie Privatvermögen des Gesellschafters (bei natürlichen Personen) behandelt bzw. geht im Unternehmen des Gesellschafters auf (bei Gesellschaften, die Alleingesellschafter der Limited sind – vgl. auch Teil B Abschnitt 2.2.1.1). Dies führt bei einer grundbesitzenden britischen Gesellschaft zu einem grundsätzlich steuerbaren Rechtsträgerwechsel, der den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfüllt.
1.3.2 Mehrere Gesellschafter
Bei mehreren beteiligten Gesellschaftern wird die britische Gesellschaft nach dem Ablauf der Übergangszeit als Personen(handels)gesellschaft angesehen (vgl. auch Teil B 1.2.1 und 2.2.1.1). Durch die Umqualifizierung einer Kapitalge...