Kai-Thorsten Röller, Carolin Babel
Die folgenden Ausführungen zu den grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen des Brexits erfolgen insbesondere deshalb, weil keine Regelungen zur Anerkennung der britischen Gesellschaften für die Zeit nach dem Übergangszeitraum getroffen wurden. Dies führte in bestimmten Fallkonstellationen zu grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsträgerwechseln. Bei den Folgen des Brexits ist zwischen britischen Gesellschaften mit einem Gesellschafter und solchen mit mehreren Gesellschaftern zu unterscheiden.
1.3.1 Alleingesellschafter
Gesellschaftsrechtlich ist der Fortbestand als Personengesellschaft nicht möglich, wenn die britische Gesellschaft nach Ablauf des Übergangszeitraums nur einen Gesellschafter hat (so auch der Gesetzgeber, s. BT-Drs. 19/7959, zu Art. 6 – neu – Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes). In diesem Fall wird die Gesellschaft in Deutschland zivilrechtlich wie ein Einzelunternehmen oder wie Privatvermögen des Gesellschafters (bei natürlichen Personen) behandelt bzw. geht im Unternehmen des Gesellschafters auf (bei Gesellschaften, die Alleingesellschafter der Limited sind – vgl. auch Teil B Abschnitt 2.2.1.1). Dies führt bei einer grundbesitzenden britischen Gesellschaft zu einem grundsätzlich steuerbaren Rechtsträgerwechsel, der den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfüllt.
1.3.2 Mehrere Gesellschafter
Bei mehreren beteiligten Gesellschaftern wird die britische Gesellschaft nach dem Ablauf der Übergangszeit als Personen(handels)gesellschaft angesehen (vgl. auch Teil B 1.2.1 und 2.2.1.1). Durch die Umqualifizierung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft durch den Brexit könnte bezüglich des Grundbesitzes ein Eigentümerwechsel i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsträger (britische Gesellschaft) vor dem Brexit (Kapitalgesellschaft) nicht mit dem Rechtsträger nach der Umqualifizierung (Personengesellschaft) identisch ist.
Gesellschaftsrechtlich wird durch den Brexit bzw. durch den Ablauf des Übergangszeitraums die Auflösung der Kapitalgesellschaft und Neugründung der Personengesellschaft fingiert, was auf einen Rechtsträgerwechsel hindeutet (Geyer/Ullmann, DStR 2019, 307 f.).
Steuerrechtlich hingegen wurde die zivilrechtliche Umqualifizierung vom BFH bislang nicht nachvollzogen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH zum Zuzug von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten ist für Zwecke der Ertragsteuern durch einen Typenvergleich festzustellen, ob die gewählte Rechtsform mit einem deutschen Kapitalgesellschaftstyp vergleichbar ist (Richter/Schlücke, IStR 2019, 51). Bei Vergleichbarkeit wird die Gesellschaft weiterhin wie eine Kapitalgesellschaft besteuert.
Fraglich ist, ob das Grunderwerbsteuerrecht von der Identität der Rechtsträger ausgeht. Dafür könnte sprechen, dass sich die Brexit-bedingte Umqualifizierung mit einem Formwechsel (i. S. d. §§ 190 ff. UmwG) vergleichen lässt. An der Umqualifizierung ist ebenfalls nur ein Rechtsträger beteiligt und es ändert sich lediglich dessen Rechtsform. Es bedarf weder der Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände noch liegt ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen Rechtsträgers vor. Der Vorgang ist insofern mit einem Formwechsel vergleichbar, der hinsichtlich des identitätswahrenden Charakters sowohl in Deutschland als auch bei vergleichbaren ausländischen Formwechseln nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt (Boruttau/Meßbacher-Hönsch, GrEStG § 1 Rn. 377 f.; BFH vom 09.04.2008, II R 32/06, BFH/NV 08, 1526; Boruttau/Meßbacher-Hönsch, GrEStG § 1 Rn. 62; Nienhaus in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 1 GrEStG Rz. 93, 95 f.).
Im Ergebnis sollte daher der Brexit bei einer Limited, die mehrere Gesellschafter hat, zu einem "Quasi-Formwechsel" führen; jedenfalls liegt insoweit kein Rechtsträgerwechsel vor. Danach sollte durch den Brexit nach Ablauf des Übergangszeitraums kein steuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht und folglich keine Anzeigepflicht ausgelöst werden.