Hat der Gesetzgeber Vorkehrungen für bereits vor dem Vollzug des Brexits steuerfrei gestellte Umstrukturierungen im Konzern getroffen, stellt sich mit Blick auf die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel die Frage, ob § 6a GrEStG zukünftig in grenzüberschreitenden Umstrukturierungen mit dem VK weitgehend ausgeschlossen sein wird.

Die Steuervergünstigung setzt einen steuerbaren Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG voraus. Dieser steuerbare Rechtsvorgang muss aufgrund einer Umwandlung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG erfolgt sein. Das Gesetz nimmt insoweit Bezug auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG beschriebenen Umwandlungen, erfasst folglich Verschmelzungen, Spaltungen und Vermögensübertragungen. Alternativ kann der steuerbare Vorgang auch auf einer Einbringung oder einem anderen Erwerbsvorgang beruhen, wenn er auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erfolgt. Nach § 6a Satz 2 GrEStG werden den Umwandlungen nach UmwG entsprechende Umwandlungen nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats gleichgestellt. Somit werden insbesondere grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften nach § 122a ff. UmwG von § 6a GrEStG begünstigt. Dabei handelt es sich um Verschmelzungen, bei denen mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats der EWR unterliegt (Behrens in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 6a GrEStG Rn. 24).

Ebenso werden auch entsprechende Einbringungen sowie Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaats der EU oder eines Staats, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, begünstigt. Nach unserer Auffassung zählen dazu auch gesellschaftsrechtlich veranlasste Einlagen oder Anwachsungsvorgänge (vgl. auch Viskorf in Boruttau, 2019, § 6a GrEStG Rn. 39 f.).

Waren bislang grunderwerbsteuerneutrale Umstrukturierungen aufgrund des Rechts des VK unter Anwendung von § 6a GrEStG möglich, wird der Anwendungsbereich der Steuerbegünstigungsnorm bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen mit dem VK im Wesentlichen ausgeschlossen sein. Mit Vollzug des Brexits ist das VK aus der EU ausgeschieden. Das VK ist damit Drittland. Der Wortlaut von § 6a GrEStG verlangt entsprechende Umwandlungen oder Einbringungsvorgänge nach dem Recht eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates, mithin findet § 6a GrEStG keine Anwendung auf Drittstaaten.

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 5

Eine deutsche GmbH überträgt nach Vollzug des Brexits ihr Betriebsvermögen – ein inländisches Grundstück – auf eine britische Limited.

Lösung

Ein Übergang der Wirtschaftsgüter durch Verschmelzung ist nicht möglich, da die Voraussetzungen des § 122a UmwG nicht erfüllt sind. Nach § 122a Abs. 1 UmwG ist eine grenzüberschreitende Verschmelzung eine Verschmelzung, bei der mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der EU oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt. Da das VK mit Vollzug des Brexits Drittstaat ist, wird nach dem Brexit eine Verschmelzung einer deutschen GmbH mit inländischem Grundbesitz auf eine britische Limited nicht mehr möglich sein, da insoweit die Voraussetzungen des § 122a UmwG nicht erfüllt sind.

Indem die GmbH den Grundbesitz auf die Limited überträgt, wird ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG verwirklicht. Als Steuerbefreiung kommt grundsätzlich § 6a GrEStG in Betracht, der Umwandlungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG privilegiert. Ist eine grenzüberschreitende Umwandlung im Verhältnis zum VK als Drittstaat nicht mehr möglich, kommt eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG im Fallbeispiel nicht mehr in Betracht. Der Vorgang bleibt künftig steuerbar und steuerpflichtig.

Folglich kommt man zu dem Ergebnis, dass grenzüberschreitende Sachverhalte mit dem VK nach dem Vollzug des Brexits bzw. des Austritts des VK aus der EU und dem EWR bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung nicht mehr nach § 6a GrEStG befreit sind und insoweit nicht mehr grunderwerbsteuerneutral umstrukturiert werden kann. Da die Begünstigung einen Konzernsachverhalt voraussetzt, steht sie unseres Erachtens auch außerhalb des Anwendungsbereichs der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit.

Fraglich ist, ob die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 6a GrEStG auf EU-/EWR-Fälle gegen das DBA-rechtliche Diskriminierungsverbot i. S. d. Art. 24 OECD-MA verstößt oder sich aus dem sog. Diskriminierungsartikel des Art. 25 Abs. 1 DBA Bundesrepublik Deutschland – VK (im Folgenden "DBA D/GB") etwas anderes ergibt. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können (vgl. L...

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