Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber eine Beschäftigung im VK ausübt, stellt sich die Frage der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Eine strikte Anwendung des zuvor beschriebenen Territorialitätsprinzips würde dazu führen, dass ausschließlich die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Beschäftigungsstaates (also VK) anzuwenden sind.
Beispiel
Herr Gemeiner ist seit dem 01.03.2021 als Monteur für Industrieroboter in Aachen bei dem deutschen Unternehmen Forsch Automation GmbH beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, gelegentlich den Service an Industrierobotern bei Kunden des Unternehmens durchzuführen, die ihren Sitz im VK haben. Vor dem 01.03.2021 bestand im Verhältnis zum VK kein grenzüberschreitender Sachverhalt. Die strikte Anwendung des Territorialitätsprinzips des Art. SSC.13 Abs. 3 Buchst. a würde dazu führen, dass Herr Gemeiner bei diesen kurzen Einsätzen im VK ausschließlich den britischen und nicht mehr den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterliegen würde.
Es liegt – auch bei näherer Betrachtung des Beispiels – auf der Hand, dass eine restriktive Anwendung dieses Grundsatzes für den Arbeitnehmer, seine Familienangehörigen, aber auch für den Arbeitgeber zu unbefriedigenden Ergebnissen führen wird. Als eine wesentliche Ausnahme vom zuvor beschriebenen Territorialitätsprinzip regelt Art. SSC.11 Sachverhalte, in denen ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber vorübergehend in einem anderen Vertragsstaat tätig wird. Sofern die nachfolgenden Voraussetzungen des Art. SSC.11 gem. VO (EG) 883/2004 erfüllt sind, führt eine vorübergehende Beschäftigung im VK weder zu einem Verlust noch zum Erwerb des Sozialrechtsstatus. Vereinfacht gesagt bleiben die bisherigen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Entsendestaates weiter anwendbar und damit einhergehend werden die entsprechenden Vorschriften des Beschäftigungsstaates nicht angewendet. Die Voraussetzungen, unter denen bei einer vorübergehenden Beschäftigung im VK die bisherigen Rechtsvorschriften des Entsendestaates weiter anzuwenden sind, sind in Art. SSC.12 Abs. 1 abschließend aufgeführt. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber entsandt wird, der eine nennenswerte Geschäftstätigkeit in Deutschland ausübt, der Einsatz voraussichtlich 24 Monate nicht überschreitet und keine zuvor entsandte Person abgelöst wird. Die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Durchführungsbestimmungen sind in Titel II des Anhangs SSC-7 Durchführungsteil näher erläutert.
Arbeitnehmer, die während der Beschäftigung im VK die Voraussetzungen einer Entsendung i. S. v. Art. SSC.11 erfüllen, erhalten auf Antrag eine "Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften" (Vordruck A1).