Von einer Mitarbeiterentsendung können auch Personen betroffen sein, die selbst oder deren Familienangehörige einen "wesentlichen" Anteil an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG halten. Endet bei einem solchen Steuerpflichtigen, der in Deutschland mindestens zehn Jahre der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hat, die unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder führt die Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder die Erfüllung eines anderen ähnlichen Merkmals in einem ausländischen Staat dazu, dass der Steuerpflichtige nach dem jeweiligen DBA als in diesem Staat ansässig anzusehen ist, so wird nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG eine fiktive Veräußerung der Anteile angenommen (Wegzugsbesteuerung). Die in den Anteilen verhafteten stillen Reserven werden auch ohne tatsächliche Veräußerung der deutschen Besteuerung unterworfen.

Für Umzüge in das EU-/EWR-Ausland sieht § 6 Abs. 5 AStG unter bestimmten Voraussetzungen eine zinslose Stundung ohne Sicherheiten bis zur tatsächlichen Anteilsveräußerung vor. Diese Stundung ist ab dem 01.01.2021 in Bezug auf das VK nicht mehr möglich, da die Voraussetzung "Zuzug in einen EU-Staat" nicht mehr erfüllt ist. Es kommt zu einer Aufdeckung der stillen Reserven.

Um "Altfälle" zu schützen, bei denen der Wegzug in das VK bereits vor dem tatsächlichen Brexit stattgefunden hat, wurde durch das Brexit-StBG ein neuer Abs. 8 zu § 6 AStG hinzugefügt, der regelt, dass der Brexit nicht zum Widerruf der Stundung führt, wenn allein aufgrund dessen bereits die Stundungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 5 AStG nicht mehr vorliegen. Begründet wird dies damit, dass für Zwecke der Widerrufung der Stundung eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Der Austritt aus der EU allein reicht nicht aus, um die zinslose Stundung zu widerrufen. Dies könnte aber z. B. dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige nach dem Umzug in das VK weiter in ein Drittland umzieht.

Ein Umzug in das VK nach Ablauf der Austrittsvereinbarung ("Neufälle") führt hingegen zur Anwendung der Wegzugsbesteuerung ohne zinslose Stundung. Die Erleichterungen nach § 6 Abs. 3 und 4 AStG, insbesondere wenn berufliche Gründe für die Abwesenheit maßgebend sind, bleiben aber weiterhin anwendbar.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel

A ist britischer Staatsbürger und lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Er hält eine 5 %ige Beteiligung an einer deutschen Kapitalgesellschaft. A verlagert seinen Wohnsitz in das VK am

  1. 01.09.2019,
  2. 01.02.2021.

Eine Rückkehr nach Deutschland ist nicht mehr geplant. Wie ist der Vorgang steuerlich zu würdigen?

Lösung

Der Vorgang unterliegt der Steuerpflicht in Deutschland nach dem § 6 AStG, da A als natürliche Person mindestens zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, seine unbeschränkte Steuerpflicht durch den Wegzug in das VK endet und er eine Beteiligung i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG hält. Folge des Wegzugs nach § 6 Abs. 1 EStG ist die Durchführung einer "fiktiven" Veräußerung mit Versteuerung des Differenzbetrags zwischen Anschaffungskosten und gemeinem Wert der Beteiligung beim Wegzug. Eine weitere Voraussetzung für das Eintreten der Rechtsfolgen des § 6 AStG ist, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des tatsächlichen Veräußerungsgewinns eingeschränkt oder ausgeschlossen ist. Dies ist hier der Fall. Zwar unterliegt die Veräußerung einer Beteiligung i. S. d. § 17 EStG der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG, das deutsche Besteuerungsrecht wird allerdings durch Art. 13 Abs. 5 DBA-UK ausgeschlossen (Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat). Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG greift ebenfalls nicht, da A nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

a) Der Wegzug wurde vor dem Wirksamwerden des Brexits durchgeführt, sodass hier § 6 Abs. 8 AStG greift und A die Steuerstundung bis zu einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile bzw. bis zum Eintritt eines Ersatztatbestandes nach § 6 Abs. 5 AStG in Anspruch nehmen kann.

b) Der Wegzug wurde nach Wirksamwerden des Brexits und Ablauf der Austrittsvereinbarung durchgeführt, sodass die Ausnahme des § 6 Abs. 8 AStG nicht greift. A muss die im Anteil verhafteten stillen Reserven versteuern und kann die Stundung der Steuer nicht mehr in Anspruch nehmen. § 6 Abs. 3 AStG findet keine Anwendung, da die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht auf einer vorübergehenden Abwesenheit beruht. A kann die Stundung bis zu fünf Jahren mit der Tilgung der Steuer durch gleiche Teilbeträge nach § 6 Abs. 4 AStG beantragen, wenn die alsbaldige Einbeziehung der Steuer mit erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen verbunden wäre. Die Sicherheitsleistung erfolgt nach §§ 241 ff. AO, wobei die Arten der zulässigen Sicherheiten beschränkt sind (z. B. Grundpfandrechte an Grundstücken in Deutschland oder Bürgschaft einer Bank). Insbesondere die Verpfändung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft ist nic...

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