3.2.2.4.1 Grundfall: Unternehmer und innergemeinschaftlicher Erwerb
Der deutsche Kunde ist verpflichtet, auf den Warenbezug inländische deutsche Umsatzsteuer anzumelden und selbst abzuführen. Ist er ein voll zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer (vgl. § 15 UStG) und verwendet die eingekaufte Ware für entsprechend den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Umsätze (vgl. § 15 Abs. 1a, Abs. 1b und Abs. 2 UStG), so macht er periodengleich in der Umsatzsteuer-Voranmeldung einen Vorsteuerabzug in gleicher Höhe geltend und wird finanziell nicht belastet (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Bei nur teilweisem Vorsteuerabzugsrecht kommt es zu einer tatsächlichen finanziellen Belastung.
Abb. 2: Felder für die Meldung von innergemeinschaftlichen Erwerben in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung, getrennt nach anzuwendendem Umsatzsteuersatz.
3.2.2.4.2 Andere Fälle des innergemeinschaftlichen Erwerbs
Wenn der deutsche Erwerber zu einer der genannten Sondergruppen gehört (juristische Personen, die keine Unternehmer sind, Erwerber neuer Fahrzeuge oder bestimmte Unternehmen bei Überschreitung der oder Verzicht auf die Erwerbschwelle), so ist er ebenfalls verpflichtet, die Umsatzsteuer auf den Warenkauf selbst anzumelden und beim Finanzamt zu entrichten. Ein Vorsteuerabzug kommt bei den genannten Personenkreisen regelmäßig nicht in Betracht (fehlende Unternehmereigenschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 UStG, oder Ausschlusstatbestand des § 15 Abs. 2 UStG), sodass eine tatsächliche Geldzahlung in Höhe der Umsatzsteuer zu leisten ist.
Wenn ein deutscher Unternehmer bei einem Wareneinkauf unter seiner deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 27a UStG) auftritt, obwohl die Ware in Wirklichkeit nicht nach Deutschland gelangt, so verwirklicht er ebenfalls den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Dies ergibt sich aus einer Sonderregelung im Umsatzsteuerrecht (vgl. § 3d Satz 2 UStG). Die dann entstehende Erwerbsteuer ist allerdings nicht als Vorsteuer abziehbar, denn es handelt sich um eine Strafregelung (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG, dazu die sog. "Facet"-Entscheidung des EuGH, EuGH vom 22.04.2010, C-536/08 und C-539/08 und Folgerechtsprechung des BFH, BFH vom 01.09.2010, V R 39/08, BStBl II 2011, 658; BFH vom 08.09.2010, XI R 40/08, BStBl II 2011, 661).
Die Erwerbsteuer entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er die Erwerbsbesteuerung im zutreffenden Mitgliedstaat nachgeholt hat. Allerdings gilt dies nicht rückwirkend, sondern entsprechend § 17 UStG ex nunc (vgl. § 3d Satz 2 UStG und Abschn. 3d.1 Abs. 4 UStAE).
Beispiel
Der deutsche Unternehmer Max GmbH bestellt Ware beim britischen Lieferanten Clever Ltd. und lässt die Ware direkt nach Frankreich liefern. Die Max GmbH tritt unter ihrer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Die Max GmbH schuldet doppelte Erwerbsteuer, nämlich einmal in Deutschland (Auftreten unter deutscher Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) und einmal in Frankreich (tatsächliches Gelangen der Ware).
Ebenfalls keine deutsche Erwerbsteuer ist zu entrichten, wenn es sich um eine Lieferung gehandelt hat, bei der das deutsche Unternehmen mittlerer Unternehmer im Rahmen eines ordnungsgemäß abgewickelten innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (vgl. § 25b UStG und Abschnitt 3.2.2.6.2) gewesen ist.