4.8.1 Anträge deutscher Unternehmen im Vereinigten Königreich
Grundsätzlich ändert sich mit dem Austritt des VK aus der EU der rechtliche Rahmen für die Vergütung von Vorsteuerbeträgen an deutsche Unternehmer. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der aktuellen britischen Handhabung der Vorsteuervergütung an Antragsteller aus Staaten außerhalb der EU. Dies hängt damit zusammen, dass vorbehaltlich einer Änderung der relevanten Vorschriften die entsprechenden Normen grundsätzlich unmittelbar anwendbar sein müssten. Die Notwendigkeit für ein besonderes Verfahren für Antragsteller aus der EU wäre mit dem Austritt hinfällig.
Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass das VK zukünftig entweder einzelgesetzlich neue besondere Vorschriften für Unternehmen aus der EU erlassen oder sogar seine Vergütungsregelungen insgesamt ändern wird. Die rechtliche Bindung an die Vorgaben der sogenannten 13. Richtlinie der EU (Richtlinie 86/560/EWG) zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige, die bisher die Rechtsgrundlage für die britische gesetzliche Regelung zur Vorsteuervergütung an Antragsteller aus sogenannten Drittstaaten bildet, entfällt mit dem Vollzug des Austritts aus der Gemeinschaft. Das VK hätte daher die Möglichkeit, sein Vergütungsverfahren insgesamt neu zu gestalten.
Das aktuell implementierte allgemeine Vergütungsverfahren für britische Vorsteuerbeträge sieht grundsätzlich die Abgabe eines unterzeichneten Papierantrags (Formular VAT 65A) vor. Dabei kann der Antrag ähnlich wie ein EU-Antrag für Vergütungszeiträume bis zu zwölf Kalendermonaten und für mindestens drei aufeinanderfolgende Kalendermonate gestellt werden. Anträge für kürzere Zeiträume sind nur für den letzten Vergütungsantrag eines Vergütungsjahrs möglich. Vergütungsjahr ist jeweils der Zeitraum vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres. Der Mindestvergütungsbetrag muss bei einem Jahresantrag 16 GBP und bei einem Antrag für kürzere Perioden 130 GBP betragen. Für die Antragstellung gilt eine Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Ablauf des Vergütungsjahrs, d. h., der 31.12. ist maßgeblich.
Dem Antrag sind sämtliche Einfuhrbelege und Rechnungen im Original als Nachweise beizufügen. Außerdem verlangt die britische Steuerbehörde eine Bescheinigung der Steuerbehörde aus dem Sitzstaat des Antragstellers, die dessen steuerliche Erfassung und die Art der Geschäftstätigkeit bestätigt. Der Nachweis darf nicht älter sein als ein Jahr. Grundsätzlich sieht das VK im allgemeinen Vergütungsverfahren ein Gegenseitigkeitserfordernis vor. Dieses wird allerdings gemeinhin so ausgelegt, dass der Sitzstaat des Antragstellers britischen Unternehmen unter vergleichbaren Bedingungen gezahlte Vorsteuerbeträge erstatten muss, damit eine Vergütung erfolgen kann.
Für Vorsteuerbeträge des Jahres 2020 gestatteten die britischen Steuerbehörden letztmals die Nutzung des digitalen EU-Vergütungsverfahrens. Allerdings wurde abweichend von der sonst geltenden 9-Monatsfrist festgelegt, dass Vergütungsanträge für das Jahr 2020 bis spätestens 31.03.2021 über das jeweilige Portal im Ansässigkeitsstaat einzureichen und an die britischen Steuerbehörden zu übermitteln waren. Die Frist geht auf Art. 51 Abs. 3 des Austrittsabkommens zurück.
Die Europäische Kommission (vgl. Mitteilung vom 10.12.2020) ist der Auffassung, dass britische Unternehmen Vorsteuerbeträge, die vor dem Austritt entstanden sind, grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie EU-Unternehmen geltend machen können. Sie hat weiterhin auf die Frist 31.03.2021 für entsprechende Anträge hingewiesen.
Für die Erstattung von in Nordirland angefallenen Vorsteuerbeträgen aus dem Erwerb oder der Einfuhr von Gegenständen gilt weiterhin das EU-Vergütungsverfahren, nicht aber für Vorsteuerbeträge aus Dienstleistungen.
Praxishinweis
Nach dem Brexit ist das VK ein Drittland. Rechnungen mit britischer Mehrwertsteuer müssen im Original aufgehoben werden, falls eine Vergütung beantragt werden soll. Für diese gelten kürzere Fristen und ein anderes Verfahren als bisher. Für Vorsteuerbeträge aus dem Jahr 2020 wurde eine Ausschlussfrist zum 31.03.2021 durch die britischen Steuerbehörden festgelegt. Besondere Regeln gelten für Nordirland.
4.8.2 Anträge britischer Unternehmen in Deutschland
Grundsätzlich führt der Austritt des VK aus der EU wie bereits ausführlich dargelegt zu einem Wechsel des Status des entsprechenden Staats von einem Mitglied der EU zu einem Drittstaat. Dieser Statuswechsel bedeutet für das Vergütungsverfahren, dass ab dem entsprechenden Stichtag grundsätzlich die Vergütungsanträge nach den für Antragsteller aus Drittstaaten geltenden Vorschriften zu stellen sind. Die zitierte 13. Richtlinie der EU ist der Rahmen für die deutsche Umsetzung des Vergütungsverfahrens.
Eine Vergütungsberechtigung von Antragstellern mit Sitz in einem Drittstaat besteht grundsätzlich unter ähnlichen Voraussetzungen wie für Antragsteller aus anderen Staaten der EU. Das zusätzliche Erfordernis der Gegenseitigkeit wird weiter unten erörtert. Auch für diese Vergütungsanträge kann eine Vergütung für e...