2.3.1 Grundsätze
Deutschland ist als Mitglied der EU nicht berechtigt, selbst über Zollsätze oder Zollbefreiungen zu entscheiden. Vielmehr gelten die entsprechenden Vorschriften einheitlich in der gesamten EU (vgl. Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif). Es ist anhand der Zolltarifnummer der Ware und des Ursprungs der Ware der anzuwendende Zollsatz zu ermitteln. Es handelt sich hierbei um eine 11-stellige Codenummer. Die ersten sechs Ziffern basieren auf dem Harmonisierten System der Weltzollorganisation. Die nächsten beiden Stellen ergeben sich aus der Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Gemeinschaft. Die neunte und zehnte Stelle (TARIC = integrierter Tarif der Europäischen Gemeinschaft) enthalten Informationen zu gemeinschaftlichen Maßnahmen, bei denen es sich um Antidumpingregelungen, Zoll Aussetzungen oder Zollkontingente handeln kann. Die elfte Stelle ist eine rein nationale Codenummer, die Informationen zum Umsatzsteuersatz oder zu rein nationalen Verboten und Beschränkungen enthalten kann. Es werden digitale Systeme zur Verfügung gestellt, die als Auskunftssysteme Informationen zu den Abgaben und den Einfuhr- bzw. Ausfuhrbedingungen liefern.
Beispiel
Die Codenummer 6202 1100 90 0 bezeichnet einen Damenmantel. Die ersten zwei Ziffern ("62") beziehen sich auf "Bekleidung aus Geweben", die Unterposition (hier: "6202") gibt "Mäntel für Damen" an, was in der Unterposition (hier: "6202 11") zu "Mäntel für Damen aus Wolle" konkretisiert und schließlich durch die Codenummer (hier: "6202 1100 90 0") die Beschreibung "Mäntel für Damen aus Wolle, andere als handgearbeitete Ponchos und handgearbeitete Umhänge aus Wolle" ergibt. (Quelle:www.zoll.de).
2.3.2 Auswirkungen bei Einfuhren britischer Waren – Zolltarif
Durch das Abkommen vom 30.12.2020 konnte der sog. harte Brexit vermieden werden. Wäre ein solcher eingetreten, wären die Zollsätze für britische Waren nach den allgemeinen Vorschriften der WTO bzw. des GATT zu bestimmen gewesen und damit höher ausgefallen als im Verhältnis zu vielen anderen Drittstaaten, mit denen zollrechtliche Abkommen abgeschlossen wurden.
Dieses Problem besteht nicht mehr. Waren mit Herkunft aus dem VK sind grundsätzlich zollfrei. Qualifizieren sie allerdings nicht als Waren britischer Herkunft, so gelten die jeweiligen Zollsätze für den eigentlichen Herkunftsstaat der Waren (z. B. Japan, China, Korea).
Beispiel
Ein Autohersteller lässt japanische Fahrzeuge in Großbritannien einführen, dort modifizieren und verkauft diese in verschiedenen Staaten der EU einschließlich Deutschland. Die Fahrzeuge werden aus dem britischen Werk zu Händlern in der EU transportiert und dort lokal verkauft. Bis zum Austritt des VK handelt es sich um innergemeinschaftliche Lieferungen aus Großbritannien. Die auf den jeweiligen innergemeinschaftlichen Erwerb anfallende Vorsteuer ist für den Händler in vollem Umfang abzugsfähig, sodass nicht zu einer finanziellen Definitivbelastung kommt. Auf die Einfuhr im VK fällt allerdings bereits Zoll an.
Lösung
Nach dem Austritt des VK ist der für Automobile geltende Zollsatz für Japan maßgeblich. Dieser beträgt 10 %. Während die entstehende Einfuhrumsatzsteuer (in Deutschland 19 %) weiterhin für die Händler neutral bleibt, führt der Einfuhrzoll zu einer Mehrbelastung von 10 % des Transaktionswerts. Der Unternehmer sollte daher entweder die Lieferkette verändern oder prüfen, ob er durch Eröffnung eines geeigneten Zollverfahrens die Doppelbelastung mit Zöllen im VK und der EU auf eine Einmalbelastung vermindern kann.
Praxishinweis
Unternehmen, die Waren über das VK beziehen, sollten klären, welcher Zollsatz für die Waren gilt, falls die Waren keine britische Herkunft haben. Zoll ist nicht als Vorsteuer abziehbar, sondern final. Damit können sich die Kosten des Warenbezugs deutlich erhöhen.
2.3.3 Auswirkungen bei Einfuhren britischer Waren – weitere Probleme
Die EU hat insbesondere zum Schutz der Unternehmen in der Union zahlreiche Sondervorschriften erlassen. Hierdurch sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Andernfalls könnte durch ungleiche Rahmenbedingungen (z. B. aufgrund unzulässiger lokaler Subventionen im Herkunftsland) eine Schädigung der Interessen der EU vorliegen. Die Sondervorschriften können dazu führen, dass bestimmte Wareneinfuhren aus Drittländern stark erhöhten Zollsätzen unterliegen (beispielsweise der sog. Antidumpingzoll, vgl. Antidumping-Grundverordnung VO (EU) 2016/1036 und Antisubventions-Grundverordnung VO (EU) 2016/1037) oder die Einfuhr durch Kontingente stark limitiert wird (sog. Marktordnungswaren).
Entsprechende Vorschriften gelten insbesondere für zahlreiche Lebensmittel. Dazu gehören Getreide, Reis, verarbeitete Erzeugnisse aus beidem, Obst und Gemüse, Milch und Milcherzeugnisse, Bananen, Fisch und Fischereierzeugnisse, Wein und Weinbauerzeugnisse. Die Einfuhr von Marktordnungswaren ist vom Besitz einer Einfuhrlizenz abhängig. Diese Einfuhrlizenz muss gesondert beantragt werden und sie gilt nur für eine bestimmte Menge und während einer begrenzten Zeitspanne.
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