Das VK benötigte bisher keine zollrechtlichen Abwicklungsprozesse für den Warenverkehr mit der EU, und konnte in großem Umfang bei der Einfuhr von Drittlandswaren deren Abwicklung in Zollstellen der EU mit nutzen. So wurde ein bedeutender Teil des Warenverkehrs über die großen Seehäfen Rotterdam und Antwerpen abgewickelt, von wo die Ware ohne weitere Zollformalitäten im Wege des innergemeinschaftlichen Transports in das VK gelangen konnte. Gleiches galt für Warenausfuhren durch britische Unternehmen.
Dies ändert sich durch den Austritt. Das VK muss nunmehr selbst für alle Warenbewegungen aus und in das VK Zollstellen einrichten und die Einfuhrabwicklung oder Ausfuhrabwicklung vornehmen. Je nach Ausgestaltung des britischen Zollrechts kann dies bedeuten, dass der entsprechende Warenverkehr deutlich verlangsamt wird. Dies gilt v. a für den Frachtverkehr durch den Kanaltunnel zwischen Dover und Calais und für den Seehandel mit der EU.
Das VK ist durch den Brexit gezwungen, sehr viel mehr Zollstellen einzurichten, diese mit sehr viel mehr Personal auszustatten und die sonstigen Ressourcen der Zollverwaltung deutlich zu steigern. Unternehmen müssen somit damit rechnen, dass Lieferungen länger dauern als bisher. Dies kann sowohl problematisch sein, wenn ein deutsches Unternehmen einem britischen Abnehmer bestimmte Liefertermine zusagt, als auch, wenn Komponenten aus der EU kritisch für Produktionsprozesse im VK sind und bisher "just in time" angeliefert wurden.
Viele Unternehmen haben auf dieses Risiko reagiert, indem sie Lieferketten oder Produktionsketten umgestellt haben. Im Extremfall findet dann die Fertigung nicht mehr im VK, sondern in der EU statt. Dies kann auch aus anderen Gründen (wie dargestellt, Problem der Zollerhebung, Abschnitt 3.2.2.2) geboten sein. Im Folgenden finden sich einige Zahlen zu britischen Einfuhren und Ausfuhren im Jahr 2017, die deutlich machen, welche Bedeutung der Verkehr mit der EU hat (Quelle: Weltbank, https://wits.worldbank.org/CountryProfile/en/Country/GBR/Year/2017/TradeFlow/Import/Partner/by-country, abgerufen 18.06.2021).
Insgesamt hatte das VK Importe (nicht im zollrechtlichen Sinn, sondern i. S. grenzüberschreitender Warenbezüge) von 641 Mrd. USD. Davon entfielen u. a. auf Deutschland 90 Mrd., auf die Niederlande 51 Mrd., auf Frankreich 36 Mrd., auf Belgien 32 Mrd. und auf Italien 25 Mrd. USD. Das Volumen der Exporte (gleiche Definition) betrug 442 Mrd. USD. Davon entfielen u. a. auf Deutschland 47 Mrd., auf Frankreich 30 Mrd., auf die Niederlande 27 Mrd., auf Irland 25 Mrd., auf Belgien 17 Mrd. und auf Italien und Spanien jeweils 13 Mrd. USD.
Das Office for National Statistics (ONS) des VK meldete im März 2021, dass die britischen Exporte in die EU im Januar, d. h. dem ersten Monat nach dem Brexit, um 40 % zurückgegangen seien. Zugleich fielen die Importe um nahezu 30 %. Das deutsche Statistische Bundesamt meldete für Januar 2021 bezogen auf Deutschland einen Rückgang der Exporte in das VK um 29 %, und einen Rückgang der Einfuhren um sogar 56 %.