Art. 8 des Protokolls enthält die Regelung in Bezug auf indirekte Steuern.
Praxishinweis: Indirekte Steuern (Art. 8 des Protokolls)
Die in Anhang 3 dieses Protokolls aufgeführten Bestimmungen des Unionsrechts, die Waren betreffen, gelten für das VK und im VK in Bezug auf Nordirland.
In Bezug auf Nordirland ist das VK zuständig für die Anwendung und Durchführung der in Anhang 3 dieses Protokolls aufgeführten Bestimmungen, einschließlich der Erhebung der Mehrwertsteuer und von Verbrauchsteuern. Gemäß den in diesen Bestimmungen festgelegten Bedingungen gehen Einnahmen aus in Nordirland steuerbaren Transaktionen nicht an die Union.
Abweichend von Absatz 1 kann das VK auf in Nordirland steuerbare Lieferungen von Waren diejenigen Mehrwertsteuer-Befreiungen und -Ermäßigungen anwenden, die gem. den in Anhang 3 dieses Protokolls aufgeführten Bestimmungen in Irland anwendbar sind. Auch wenn die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie im Hinblick auf Gegenstände – also nicht sonstige Leistungen – grundsätzlich in NI gilt, so kann die EU doch das Vereinigte Königreich ermächtigen, in Bezug auf Nordirland von dieser Richtlinie abweichende Sonderregelungen anzuwenden.
Der Gemeinsame Ausschuss erörtert regelmäßig die Durchführung dieses Artikels, auch bezüglich der in Absatz 1 genannten Ermäßigungen und Befreiungen, und nimmt ggf. Maßnahmen für seine ordnungsgemäße Anwendung an, sofern dies erforderlich ist.
Der Gemeinsame Ausschuss kann unter Berücksichtigung des Umstands, dass Nordirland integraler Bestandteil des VK ist, die Anwendung dieses Artikels überprüfen und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen treffen.
Der Anhang 3 des Protokolls listet die Vorschriften der Union im Bereich des Mehrwert- und Verbrauchsteuerrechts auf. Da es sich überwiegend um Richtlinien handelt, muss das VK insoweit Rechtsakte erlassen, die für das Gebiet von NI das Unionsrecht respektieren, während es für das Gebiet von GB frei ist, andere Regelungen zu treffen, was dann aber Transaktionen zwischen NI und GB erschweren würde. Ein Unterschied in Bezug auf die Steuersätze kann auch eintreten, wenn das VK von der Möglichkeit Gebrauch macht, für NI die in Irland zulässigen Steuerermäßigungen und -befreiungen anzuwenden.
Diese Regelung erleichtert den Handel zwischen NI und der EU (insbesondere Irland), weil insoweit weiterhin die Regeln über den innergemeinschaftlichen Handel anwendbar sind (s. Teil F unter 3), erschwert aber Lieferungen aus GB nach NI und Lieferungen aus NI nach GB. Denn aufgrund der EU-Steuerregelungen gilt das Verbringen von Waren in das Steuergebiet als "Einfuhr" und das Verbringen aus dem Steuergebiet als "Ausfuhr". Somit muss
- der in NI ansässige Empfänger von Waren aus GB diese einem Einfuhranmeldungsprozess unterwerfen, und zwar unabhängig davon, ob er Unternehmer oder eine private Person ist, und
- der in NI ansässige Versender von Waren nach GB diese einem Ausfuhranmeldungsprozess unterwerfen, und zwar unabhängig davon, ob er Unternehmer oder eine private Person ist.
Selbst wenn die Ware bei der Einfuhr zollfrei ist, wird zumindest die Einfuhrumsatzsteuer fällig, die Unternehmer dann in ihrer Mehrwertsteuererklärung anmelden und verrechnen können. Ein Vorsteuerabzugsrecht haben aber nicht Privatpersonen und Kleinunternehmer, für die es günstiger ist, Waren steuerfrei bei einem Kleinunternehmer oder einer Privatperson in der EU (insbesondere Irland) zu erwerben. Aufgrund der Neuregelung über Fernverkäufe (s. Teil H unter Abschnitt 3.4.3) betrifft dies allerdings v. a. den persönlichen Einkauf im Nachbarland Irland (bei dem auch keine Grenzkontrollen stattfinden).
In NI ansässige Unternehmer, die Waren sowohl in NI als auch in GB verkaufen, müssen – soweit das VK die in Irland geltenden Steuerermäßigungen für anwendbar erklärt – für die beiden Gebiete unterschiedliche Steuersätze berechnen. Das Gleiche gilt für Unternehmer in der EU, die nach der neuen Fernverkaufsregelung sowohl nach NI als auch nach GB liefern. Dabei kann seit 01.07.2021 für B2C-Lieferungen aus NI an Kunden in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten bis zu einem Warenwert von 150 EUR der One-Stop-Shop (OSS) genutzt und damit eine umsatzsteuerrechtliche Registrierung in den verschiedenen Mitgliedstaaten vermieden werden. Das Gleiche gilt für Lieferungen aus der EU nach NI. Für Lieferungen aus der EU nach GB gelten dagegen die Vorschriften des VK (siehe Teil H unter 4.4.9).
Die EU-Kommission hat eine "Notice to Stakeholders" veröffentlicht, die unter Abschnitt C die besonderen Regeln für die Umsatzsteuer im Warenverkehr mit NI erläutert. Darin fasst sie diese Regeln wie folgt zusammen:
- Warenbewegungen zwischen NI und GB sind als Einfuhr bzw. Ausfuhr zu behandeln;
- in NI ansässige Steuerpflichtige können den One-Stop-Shop (OSS) für die Erklärung und Zahlung der Umsatzsteuer ihrer innergemeinschaftlichen B2C-Fernverkäufe von Waren aus NI (oder EU-Mitgliedstaaten) an Kunden in den EU-Mitgliedstaaten (oder in NI) nutzen;
- in einem EU-Mitgliedstaat ansässige Steuerpflic...