Das Wichtigste in Kürze:

1. § 69a Abs. 2 StGB lässt bei der Anordnung der Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis Ausnahmen zu.
2. Die Zulässigkeit einer nachträglichen Ausnahme von einer Sperrfrist ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
3. Eine (nachträgliche) Beschränkung ist nur zulässig im Hinblick auf bestimmte Kraftfahrzeugarten, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel durch die (nachträgliche) Ausnahme nicht gefährdet wird.
4. Die nachträgliche Ausnahme erfolgt auf Antrag des Verurteilten durch Beschluss des Gerichts.
 

Rdn 468

 

Literaturhinweise:

Backmann, Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot – Europarechtlicher Rahmen, SVR 2010, 281

Burhoff/Möller, Ausnahmen vom vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis, VA 2003, 136

Buschbell, Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot, SVR 2010, 3

Geppert, Totale oder teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1971, 2154

Hentschel, Ausnahme von der Fahrerlaubnissperre für Lkw und Busse?, NZV 2004, 285

Krumm, Keine wirkliche Ausnahme – Das Ausnehmen bestimmter Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre gem. § 69a I, II StGB, DAR 2004, 56

ders., Die (Regel-)Beschränkung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf "anlasstatbezogene" Kraftfahrzeugarten, NZV 2006, 234

ders., Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot, ZRP 2010, 11

Wölfl, Nachträgliche Ausnahmen von der Fahrerlaubnissperre nach § 69a Abs. 2 StGB, NZV 2001, 369

s.a. die Hinw. bei → Fahrerlaubnis, Entziehung, Allgemeines, Teil A Rdn 421.

 

Rdn 469

1. § 69a Abs. 2 StGB lässt bei der Anordnung der Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis Ausnahmen zu (vgl. dazu Fischer, § 69a Rn 68 ff.; SSW-StGB/Jehle/Harrendorf, § 69a Rn 15 ff.). Voraussetzung ist, dass besondere (objektive oder subjektive) Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird. Voraussetzung einer Ausnahme ist immer, dass der Täter in Bezug auf die ausgenommene Kfz-Art nicht gefährlich ist (SSW-StGB/Jehle/Harrendorf, § 69a Rn 15; Krumm DAR 2004, 56; BayObLG DAR 1983, 27; OLG Hamm VRS 62, 124). Die Regelung ist letztlich Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

 

Rdn 470

2.a) In der Praxis wird von der Möglichkeit einer Ausnahme schon bei Anordnung der Sperrfrist im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Verurteilten für den Straßenverkehr nur wenig Gebrauch gemacht (vgl. BayObLG NZV 2005, Krumm DAR 2004, 56; vgl. a. Fischer, § 69a Rn 33). Für die Zeit nach der Anordnung der Maßnahme ist in Rspr. und Lit. umstritten, ob überhaupt eine nachträgliche Ausnahme zulässig ist. Das wird von der wohl. h.M. verneint (vgl. LG Coburg, Beschl. v. 9.6.1982, Qs 61/82; LG Koblenz DAR 1977, 193; AG Alsfeld DAR 1981, 27; LK-Geppert, § 69a Rn 13; Fischer, § 69a Rn 34, 40 m.w.N. aus zur a.A.; a.A. SSW-StGB/Jehle/Harrendorf, § 69a Rn 27; AG Pirmasens DAR 1976, 193; AG Wismar DAR 1998, 32; vgl. auch Wölfl NZV 2011, 369). M.E. sind die Argumente der H.M. nicht von der Hand zu weisen. Denn nach Eintritt der Rechtskraft kann das Gericht deshalb keine nachträgliche Entscheidung gem. § 69a Abs. 2 StGB mehr treffen, weil das ein Eingriff in die Rechtskraft seiner Entscheidung ist. Nachträgliche Abänderungen einer rechtskräftigen Entscheidung sind aber nur möglich sind, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Letzteres ist aber in § 69a StGB nicht vorgesehen (vgl. auch Fischer, a.a.O. – [insoweit klaren Regelung des Abs. 7 S. 2]). Geregelt ist dort nur die Aufhebung der Sperrfrist, ein Verweis auf Abs. 2 ist nicht erfolgt.

 

☆ Als zulässig angesehen wird von der h.M. jedoch eine teilweise vorzeitige Aufhebung der Sperrfrist nach § 69a Abs. 7 StGB, wenn die Fristen des § 69a Abs. 7 S. 2 StGB beachtet werden (LG Coburg, Beschl. v. 9.6.1982, Qs 61/82; →  Fahrerlaubnis, Sperrfrist, Aufhebung , Teil A Rdn  455 ).teilweise vorzeitige Aufhebung der Sperrfrist nach § 69a Abs. 7 StGB, wenn die Fristen des § 69a Abs. 7 S. 2 StGB beachtet werden (LG Coburg, Beschl. v. 9.6.1982, Qs 61/82; → Fahrerlaubnis, Sperrfrist, Aufhebung, Teil A Rdn 455).

 

Rdn 471

b) Die Problematik hat sich i.Ü. seit der Neufassung des § 9 Abs. 1 FeV durch die "Vierte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften v. 18.7.2008" (BGBl I, S. 1338) dadurch entschärft, dass nunmehr auch im Fall des § 69a Abs. 2 StGB gilt, dass eine Fahrerlaubnis der Klassen C, C1, D oder D1 nur erteilt werden darf, wenn der Bewerber bereits die Fahrerlaubnis der Klasse B besitzt oder die Voraussetzungen für deren Erteilung erfüllt hat. Dadurch ist eine Ausnahme für Lkw oder Omnibusse und damit für (Berufs-)Kraftfahrer praktisch ausgeschlossen. das hat dann auch Auswirkungen auf eine nachträgliche Ausnahme (vgl. dazu auch SSW-StGB/Jehle/Harrendorf, § 69a Rn 18).

 

Rdn 472

3. Will der Verteidiger entgegen der o.a. h.M. eine nachträgliche Ausnahme von der Sperrfrist beantragen, muss er Folgendes beachten:

 

Rdn 473

a) Allgemein wird er z...

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