Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Gem. § 66a StGB kann sich das Gericht zunächst mit der Verurteilung die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. |
2. |
Über die Vollstreckung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung entscheidet das zuständige Gericht des Erkenntnisverfahrens auf Grundlage einer Hauptverhandlung. |
3. |
Die Vollstreckung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist dann nicht mehr verhältnismäßig, wenn dem Strafgefangenen im vorausgegangenen Strafvollzug eine ausreichende Betreuung nicht zuteil geworden ist. |
4. |
Für Fragen der angemessenen Betreuung hat bereits der Strafgefangene Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. |
Rdn 634
Literaturhinweise:
s. die Hinweise bei → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 538 m.w.N.
Rdn 635
1. Gem. § 66a StGB kann sich das Gericht zunächst mit der Verurteilung die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Zum Ende der Strafvollstreckung hat dann das erkennende Gericht in einem zweiten Verfahrensschritt nach Durchführung einer weiteren Hauptverhandlung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden. Nach der Entscheidung des BVerfG v. 20.6.2012 (2 BVR 1048/11, NJW 2012, 3357) ist die vorbehaltene Sicherungsverwahrung mit dem Grundgesetz und der EGMR vereinbar.
Rdn 636
2. Über die Frage der Vollstreckung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung entscheidet das zuständige Gericht des Erkenntnisverfahrens (§ 66a Abs. 3 StGB). Am Ende des Strafvollzuges muss entschieden werden, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert (§ 67c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB). Einer positiven Legalprognose bedarf es insoweit jedoch nicht (vgl. Fischer, § 67c Rn 3). Insbesondere ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung vor Beginn des Vollzuges erforderlich.
Rdn 637
3. Die Vollstreckung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist dann nicht mehr verhältnismäßig, wenn dem Strafgefangenen im vorausgegangenen Strafvollzug eine ausreichende Betreuung nicht zuteil geworden ist. Dann ist die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Dem Strafgefangenen muss also bereits während des Strafvollzuges auf Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Behandlung mit dem Ziel einer Minimierung seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit angeboten werden. Dabei ist es unerheblich, ob gerade die Strafe aus dem Urteil, mit welcher die Sicherungsverwahrung vorbehalten wurde, oder eine andere Strafe vollstreckt wird (BT-Drucks 17/9874, S. 18, Wolf Rpfleger 2013, 365).
Rdn 638
4. Für Fragen der angemessenen Betreuung des Strafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist ein Pflichtverteidiger gem. § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG ein Pflichtverteidiger beizuordnen (→ Sicherungsverwahrung, Pflichtverteidigung, Teil A Rdn 573).
Siehe auch: → Sicherungsverwahrung, Allgemeines, Teil A Rdn 537 m.w.N.