Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Bekanntmachung von Entscheidungen regelt § 35. Sie sind dem davon Betroffenen bekannt zu machen. |
2. |
Adressaten der Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung sind zunächst die Verfahrenshauptbeteiligten. Aber auch Verfahrensnebenbeteiligte können von einer Entscheidung betroffen sein. |
3. |
Bekannt zu machen sind an erster Stelle Urteile und Beschlüsse, aber auch Prozess leitende Verfügungen, die sich auf das weitere Verfahren auswirken. |
4. |
Bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen ist für die Bekanntmachung ein Dolmetscher beizuziehen oder eine Übersetzung anzufertigen. |
Rdn 1483
Literaturhinweise:
s. → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1293, m.w.N.
→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Teil A Rdn 1850, m.w.N.
Rdn 1484
1.a) Im Rahmen des Strafverfahrens regelt § 35, auf welche Weise gerichtliche Entscheidungen und damit untrennbar zusammenhängende Erklärungen (z.B. §§ 35a, 268a, 268c, 268d) dem davon Betroffenen zur Kenntnis gebracht ("bekanntgemacht") werden. Dadurch erfüllt die Bekanntmachung in erster Linie die ihr zugrunde liegende Informationspflicht, die gewährleisten soll, dass der Entscheidungsadressat seinen verfassungsmäßig verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend machen und – insbesondere durch Einlegung von Rechtsmitteln und/oder Rechtsbehelfen – durchsetzen kann. Dies gilt speziell für Konstellationen, in denen eine gerichtliche Entscheidung nicht in Anwesenheit des davon Betroffenen ergeht, weshalb die Erforderlichkeit besteht, die Information des Betroffenen zu dokumentieren und nachweisen zu können.
☆ Die Art und Weise der Bekanntmachung selbst ist nicht anfechtbar . Ob und wenn ja, in welchem Umfang gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel/Rechtsbehelf eingelegt werden kann und/oder soll, setzt aber nicht nur die Kenntnis der Entscheidung selbst voraus, sondern auch, ob sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bekannt gemacht wurde.Art und Weise der Bekanntmachung selbst ist nicht anfechtbar. Ob und wenn ja, in welchem Umfang gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel/Rechtsbehelf eingelegt werden kann und/oder soll, setzt aber nicht nur die Kenntnis der Entscheidung selbst voraus, sondern auch, ob sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form bekannt gemacht wurde.
Rdn 1485
b) Schaubild: Art und Weise der Bekanntmachung gerichtlicher Entscheidungen
Rdn 1486
2. Adressaten der Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung sind zunächst die Verfahrenshauptbeteiligten, mithin sämtliche Personen, denen das Verfahrensrecht die Möglichkeit einräumt, als Prozesssubjekt gestaltend auf das Verfahren einzuwirken (Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn 71). Das sind der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte/Betroffene, dessen Verteidiger(in), die StA, der Nebenkläger, der Privatkläger.
Rdn 1487
Betroffen sein können aber auch Verfahrensnebenbeteiligte, so z.B. persönlich der Verletzte, der Einziehungsbeteiligte, Juristische Personen oder Personenvereinigungen oder der Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter im Verfahren nach JGG (→ JGG-Besonderheiten, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 742 ff.). Institutionell können auch Behörden betroffen sein, so z.B. die Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren oder die Verwaltungsbehörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Rdn 1488
3. Bekannt zu machen sind Entscheidungen, an erster Stelle Urteile und Beschlüsse, aber auch prozessleitende Verfügungen, die sich auf das weitere Verfahren auswirken (Meyer-Goßner/Schmitt, § 35 Rn 1; weiter gehend, nämlich alle, AnwKomm-StPO/Rotsch, § 35 Rn 2), was jedenfalls die Bekanntmachung auch von solchen Entscheidungen erforderlich macht, die keine Frist in Lauf setzen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 35 Rn 10).
Rdn 1489
a) Bei Urteilen ist zwischen Anwesenheitsurteilen und Abwesenheitsurteilen zu unterscheiden.
Rdn 1490
aa) Urteile ergehen i.d.R. in Anwesenheit des Angeklagten/Betroffenen. Sie werden in der HV mündlich verkündet (§§ 268 Abs. 2, 35 Abs. 1 S. 1). Dies geschieht entweder unmittelbar im Anschluss an die Urteilsberatung oder in einem gesonderten Verkündungstermin (§ 268 Abs. 3), der nicht später als zwei Wochen nach dem Schluss der Verhandlung liegen darf (zur Fristberechnung Burhoff, HV, Rn 3315 ff.). Die Einlegungsfristen für Rechtsmittel beginnen deshalb am Tag der Verkündung zu laufen (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Fristen, Allgemeines, Teil A Rdn 1546 ff.). Gegenüber einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten kann ein Urteil nicht wirksam verkündet werden, sofern kein Dolmetscher hinzugezogen worden war (KK/Schneider-Glockzin, § 35 Rn 4; LR-Graalmann-Scheerer, § 35 Rn 7).
Rdn 1491
Entgegen § 35 Abs. 1 S. 1 sind auch Anwesenheitsurteile stets zuzustellen, wenn es auf die Kenntnis des Verurteilten und den Nachweis dieser Kenntnis hinsichtlich eines bestimmten Zeitpunkts ankommt (KK/Schneider-Glockzin, § 35 Rn 4; LR-Graalmann-Scheerer, § 35 Rn 7), so bei