Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Gem. § 302 Abs. 2 bedarf die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger einer Ermächtigung durch den rechtsmittelbefugten Angeklagten. |
2. |
In der aufgrund Ermächtigung vorgenommenen Rücknahmeerklärung muss das Vorliegen der Ermächtigung ausdrücklich erklärt werden ("namens und im Auftrag meines Mandanten"). |
3. |
Zu Unklarheiten kann es bei widerstreitenden Erklärungen von Angeklagtem und Verteidiger kommen. |
Rdn 1674
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Rücknahme, Allgemeines, Teil A Rdn 1657.
Rdn 1675
1.a) Gem. § 302 Abs. 2 bedarf die Rechtsmittelrücknahme durch den Verteidiger einer Ermächtigung durch den rechtsmittelbefugten Angeklagten. Dies gilt auch für eine Teilrücknahme (BayObLG, Beschl. v. 1.2.2021 – 202 StRR 4/21; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 22.8.2016 – 2 Ss 233/16).
☆ Im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff.) ist bei bestehender Prozessvollmacht eine gesonderte Ermächtigung nicht erforderlich. Der Verteidiger kann das Rechtsmittel sogar gegen die Weisung seines Auftraggebers zurücknehmen, da § 302 Abs. 2 nur strafprozessuale Rechtsmittel, nicht aber solche betrifft, die sich allein gegen den bürgerlich rechtlichen Teil eines Urteils richten (KG NStZ-RR 2010, 115).Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff.) ist bei bestehender Prozessvollmacht eine gesonderte Ermächtigung nicht erforderlich. Der Verteidiger kann das Rechtsmittel sogar gegen die Weisung seines Auftraggebers zurücknehmen, da § 302 Abs. 2 nur strafprozessuale Rechtsmittel, nicht aber solche betrifft, die sich allein gegen den bürgerlich rechtlichen Teil eines Urteils richten (KG NStZ-RR 2010, 115).
Rdn 1676
b) Wirksam ist die Ermächtigung, wenn der Ermächtigende prozessual handlungsfähig ist (BGH NStZ-RR 2004, 341; 2016, 180) und die Ermächtigung zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung besteht. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich (OLG Zweibrücken StraFo 2010, 252). Eine erteilte Ermächtigung darf auch nicht widerrufen sein (BGH NStZ-RR 2007, 151; 2017, 185).
☆ Die Ermächtigung ist nicht erteilt , wenn der Angeklagte auf ein Schreiben des Verteidigers schweigt , in dem eine von diesem vorgeschlagene Rechtsmittelrücknahme für den Fall angekündigt wird, dass der Angeklagte nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht (OLG Oldenburg StraFo 2010, 347).nicht erteilt, wenn der Angeklagte auf ein Schreiben des Verteidigers schweigt, in dem eine von diesem vorgeschlagene Rechtsmittelrücknahme für den Fall angekündigt wird, dass der Angeklagte nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht (OLG Oldenburg StraFo 2010, 347).
Rdn 1677
c) Eine bestimmte Form für die Ermächtigung schreibt das Gesetz nicht vor. Die Ermächtigung kann daher nach allgemeiner Auffassung in Rspr. und Lit. auch mündlich, fernmündlich oder konkludent erteilt werden (BGH NStZ-RR 2010, 55; 2016, 24; OLG Celle, Beschl. v. 23.11.2020 – 3 Ss 48/20; KG, Beschl. v. 16.2.2022 – 3 Ws (B) 24/22; Meyer-Goßner/Schmitt, § 302 Rn 32 m.w.N.). Nimmt der Verteidiger das Rechtsmittel zurück, muss er ausdrücklich erklären, aufgrund Ermächtigung zu handeln ("namens und im Auftrag meines Mandanten").
Rdn 1678
d) Die schriftliche Ermächtigung braucht sich nicht bei der Akte befinden (OLG Oldenburg VRS 120, 337) und kann auch erst nach Abgabe der Verzichtserklärung nachgewiesen werden (BGH NStZ-RR 2010, 55). Dafür genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (BGH NStZ-RR 2016, 24; 2017, 185).
Rdn 1679
e) Die in einer allgemeinen Verteidigervollmacht enthaltene Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln/Rechtsbehelfen reicht jedenfalls dann aus, wenn das Verteidigungsmandat erst/nur für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens erteilt wurde (BGH StraFo 2004, 98; Beschl. v. 7.5.2019 – 2 StR 142/19; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2023, 81). Andernfalls muss die Ermächtigung das Rechtsmittel/den Rechtsbehelf konkret bezeichnen (BGH NStZ 2000, 665; Schifffahrtsobergericht Berlin NJW 2009, 1686; KG StV 2016, 152; a. Burhoff, HV, Rn 783 ff.).
Rdn 1680
2.a) Zu Unklarheiten kann es bei widerstreitenden Erklärungen kommen, wenn entweder sowohl der Angeklagte als auch dessen Verteidiger oder mehrere Verteidiger für den Angeklagten Rechtsmittel eingelegt hat (haben) und danach das vom einen eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen, das des anderen aber aufrechterhalten bleibt oder der einer das Rechtsmittel zurücknimmt und der andere dem widerspricht. Besteht eine Mehrheit von Verteidigern, die sämtlich für den Angeklagten Rechtsmittel eingelegt haben, kann dieses aber zugleich mit Wirkung für alle anderen von jed...