Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die öffentliche Zustellung nach § 40 stellt nur eine Fiktion des Zugangs dar. Sie ist gegenüber der Zustellung nach § 37 lediglich ein Notbehelf. |
2. |
Adressat einer öffentlichen Zustellung kann jeder Erwachsene sein. |
3. |
Die öffentliche Zustellung setzt voraus, dass Versuche einer persönlichen oder Ersatzzustellung fehlgeschlagen sind. |
4. |
Die § 40 Abs. 1 und 2 differenzieren danach, ob der Beschuldigte bereits eine Ladung zur HV zugestellt erhalten hat. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung gegenüber Abs. 1 erleichtert. |
5. |
Die öffentliche Zustellung erfolgt in zwei Akten, der Anordnung und ihrer Bewirkung. |
6. |
Die Bewilligung der öffentlichen Zustellung ist nur in den Grenzen des § 305 S. 1 mit der Beschwerde anfechtbar. |
Rdn 1939
Literaturhinweise:
s. die Hinw. Bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1850.
Rdn 1940
1.a) Die öffentliche Zustellung nach § 40 stellt nur eine Fiktion des Zugangs dar. Sie ist gegenüber der Zustellung nach § 37 lediglich ein Notbehelf, der den Fortgang des Verfahrens ermöglichen soll (OLG Hamm NStZ-RR 2006, 309; OLG Stuttgart StV 2001, 336 [Ls.]). Im Rahmen der Kommunikation zwischen Gericht und dem Zustellungsadressaten ist die öffentliche Zustellung die ultima ratio (Meyer-Goßner/Schmitt, § 40 Rn 4). Denn sie beschränkt das Recht, sich selbst verteidigen zu können, und damit den Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) dadurch, dass der "Beschuldigte" (§ 40 Abs. 1 S. 1) ihn betreffende Entscheidungen und Erklärungen des Gerichts nicht wirklich zur Kenntnis erhält. Aufgrund der ausschließlich auf das Verfahren gerichteten Zweckbestimmung der Vorschrift des § 40 wird daneben der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) faktisch versagt; dies gilt insbesondere, wenn eine HV stattfindet, zu der der Beschuldigte/Angeklagte im Wege der öffentlichen Zustellung geladen wurde.
☆ § 40 Abs. 1 S. 2 fingiert den Zugang und damit die wirksame Zustellung des Schriftstücks, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung an der Gerichtstafel (§ 186 Abs. 2 ZPO) zwei Wochen vergangen sind. den Zugang und damit die wirksame Zustellung des Schriftstücks, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung an der Gerichtstafel (§ 186 Abs. 2 ZPO) zwei Wochen vergangen sind.
Rdn 1941
b) Innerhalb der Arten der Ersatzzustellungen handelt es sich bei der öffentlichen Zustellung eine Sonderform. Ihre Zulässigkeit bestimmt sich nach § 40 als lex specialis zu § 185 ZPO. Für die Ausführung der öffentlichen Zustellung gelten hingegen die §§ 186, 187 ZPO. Die Dauer des Aushangs bestimmt wiederum § 40 Abs. 1 S. 2 (OLG Hamm, Beschl. v. 4.11.2008 – 2 Ws 328/08).
Rdn 1942
2.a) Adressat einer öffentlichen Zustellung kann jeder Erwachsene sein (zur Zustellung in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende → JGG-Besonderheiten, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 749 f.; → JGG-Besonderheiten, Ladung, Teil A Rdn 801 ff.). "Beschuldigter" i.S. des § 40 ist auch der bereits rechtskräftig Verurteilte (LR-Graalmann-Scheerer, § 40 Rn 3).
Rdn 1943
b) Sachlich kommen für die öffentliche Zustellung in Betracht Urteile, Beschlüsse, Ladungen, Aufforderungen zu Erklärungen (§§ 201 Abs. 1, 453 Abs. 1 S. 2).
Rdn 1944
Ausgeschlossen ist die öffentliche Zustellung
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insgesamt, wenn dem Zustellungsadressaten ein Betreuer für die Bereiche "Vertretung gegenüber … Behörden und sonstigen Institutionen, die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten der Post sowie (sonstige) Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten" bestellt wurde (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2004, 210); |
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eines Strafbefehls, weil der Angeklagte dadurch noch nicht einmal erfährt, dass gegen ihn eine Strafe verhängt wurde (OLG Düsseldorf NJW 1997, 2964; Meyer-Goßner/Schmitt, § 409 Rn 21 m.w.N.; LG Kiel SchlHA 1982, 76; a.A. LG Heidelberg, Beschl. v. 20.2.2002 – 2 Qs 71/01; LG München I MDR 1981, 71 [wenn eine Beschuldigtenvernehmung stattgefunden hat]). Nach Nr. 175 Abs. 2 Nr. 1 RiStBV soll der Erlass eines Strafbefehls ohnehin nur beantragt werden, wenn der Aufenthalt des Beschuldigten bekannt ist, so dass in der regelmäßigen Form zugestellt werden kann. |
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faktisch für einen Weisungen enthaltenden Beschluss über die Aussetzung der Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe; in diesem Fall sind ihm die Weisungen nicht bekannt gemacht worden, sodass der Widerruf der Strafaussetzung nicht auf "gröbliche oder beharrliche Verstöße" gegen die Weisungen (§ 56c StGB) gestützt werden, darf (OLG Düsseldorf StV 1985, 464; zur Aussetzung der Reststrafe Burhoff/Kotz/Artkämper/Jacobs, Teil B Rn 260 ff.). |
Rdn 1945
4.a) Die öffentliche Zustellung setzt voraus, dass Versuche einer persönlichen oder Ersatzzustellung fehlgeschlagen sind, weil nur dann davon ausgegangen werden darf, dass "eine Zustellung … nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt" werden kann (§ 40 Abs. 1 S. 1).
☆ Der Aufenthalt des Beschuldigten muss allgemein unbekannt und darf nicht nur dem bew...