Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Revisionsgericht prüft die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler. |
2. |
Erfolg verspricht die Sachrüge gegen die Beweiswürdigung insbesondere in den Fällen, in denen diese lückenhaft oder widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstößt. |
Rdn 2237
Literaturhinweise:
Fischer, Glaubwürdigkeitsbeurteilung und Beweiswürdigung, NStZ 1994, 1
Miebach, Der Zweifelssatz in der neueren Rechtsprechung des BGH, NStZ-RR 2015, 297
ders., Die freie Beweiswürdigung der Zeugenaussage in der neueren Rechtsprechung des BGH, NStZ-RR 2021, 33
ders., Die freie Beweiswürdigung der Zeugenaussage in der neueren Rechtsprechung des BGH, NStZ-RR 2021, 13
ders., Die freie Beweiswürdigung der Zeugenaussage in der neueren Rechtsprechung des BGH, NStZ-RR 2023, 132
s.a. die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2009, und bei → Revision, Sachrüge, Begründung, Allgemeines, Teil A Rdn 2226.
Rdn 2238
1.a) Gem. § 261 entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Zwar ist die Beweiswürdigung "ureigene Aufgabe" des Tatrichters (u.a. Fischer NStZ 1994, 1), d.h. aber nicht, dass sie nicht revisionsrechtlich überprüfbar wäre. Allerdings überprüft das Revisionsgericht die Beweiswürdigung des Tatrichters nur auf Rechtsfehler, es kann nicht seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Tatgerichts setzen (BGHSt 29, 18, 20). Grundlage der Prüfung ist im Rahmen der Sachrüge allein der Inhalt des tatrichterlichen Urteils (BGH NStZ-RR 2008, 148; auch BGHSt 35, 238, 241; Burhoff, HV, Rn 2804 ff.).
Rdn 2239
b) Hinweis für den Verteidiger
Der Verteidiger muss sich auf die Rüge entsprechender Rechtsfehler (Teil A Rdn 2240 ff.) beschränken. Es nützt ihm nichts, wenn er in seiner Revisionsbegründung lediglich andere Schlussfolgerungen zieht als das Tatgericht. Die Revision kann keinen Erfolg haben mit der Einwendung, eine andere Würdigung des Beweisergebnisses sei ebenfalls möglich oder sogar einleuchtender oder naheliegender. Auch wenn sich der Tatrichter also in seinem Urteil für die unwahrscheinlichste Bewertung der Beweisergebnisse entschieden haben sollte, ist das Revisionsgericht an diese Beweiswürdigung gebunden und hat sie hinzunehmen (st.Rspr., z.B. BGH NJW 2003, 150, 152; 2005, 2322, 2326; NStZ-RR 2008, 146; 2013, 387; BGH, Urt. v. 17.7.2007 – 5 StR 186/07). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Verurteilungen wie Freisprüche (a. BGH NStZ-RR 2010, 85, 86; Urt. v. 26.4.2012 – 4 StR 599/11).
☆ Bei der Ausarbeitung der Sachrüge darf der Verteidiger nicht versuchen, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu setzen. Verfehlt ist es insbesondere, eine vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung als nicht zwingend anzugreifen (BGH NStZ 1990, 28 [Mi], NStZ 1990, 228 [Mi]), weil ein gezogener Schluss nur möglich sein muss, um die gem. § 261 notwendige richterliche Überzeugung herbeizuführen. Logisch unmögliche Schlüsse (Trugschlüsse) können demgegenüber Erfolg versprechend gerügt werden.Ausarbeitung der Sachrüge darf der Verteidiger nicht versuchen, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu setzen. Verfehlt ist es insbesondere, eine vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung als "nicht zwingend" anzugreifen (BGH NStZ 1990, 28 [Mi], NStZ 1990, 228 [Mi]), weil ein gezogener Schluss nur möglich sein muss, um die gem. § 261 notwendige richterliche Überzeugung herbeizuführen. Logisch unmögliche Schlüsse (Trugschlüsse) können demgegenüber Erfolg versprechend gerügt werden.
Rdn 2240
2. Erfolg verspricht die Sachrüge gegen die Beweiswürdigung insbesondere in den Fällen, in denen diese lückenhaft oder widersprüchlich ist oder gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstößt (s.a. Miebach NStZ-RR 2015, 297; ders., NStZ-RR 2021, 33; ders., NStZ-RR 2021, 13; ders., NStZ-RR 2023, 132).
Rdn 2241
a) Rechtsprechungsübersicht: Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung
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die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zulassen und somit die Entscheidung beeinflussen können (BGHSt 44, 153, 159; BGH NJW 2006, 925, 928; StV 1995, 6, 7; 1997, 513; 1998, 362; 2001, 440; s.a. Burhoff, HV, Rn 2804 ff.); die Pflicht zur Darstellung sämtlicher entscheidungserheblicher Tatsachen zwingt aber nicht zu einer umfassenden Dokumentation der Beweisaufnahme (BGHSt 15, 347, 348; BGH NJW 2004, 2248, 2250; |
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keine Gesamtwürdigung vorgenommen wurde, in die alle in der Hauptverhandlung festgestellten Tatsachen einbezogen wurden (zu diesem Grundsatz BGH NStZ 2009, 404; 2008, 705; BGH NStZ-RR 2013, 51; 2014, 152; BGH, Urteil v. 21.11.2006 – 1 StR 392/06); |
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der Tatrichter sich nicht mit solchen in der Beweisaufnahme erhobenen Beweisen auseinandergesetzt hat, die der von ihm angenommenen Sachverhaltsvariante widerstreiten (BGHSt 25, 365... |