Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Berufung ist vertikal und horizontal beschränkbar. |
2. |
Die Wirksamkeit der grds. möglichen Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt voraus, dass das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen zur Tat enthält. |
Rdn 240
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Berufung, Beschränkung, Allgemeines, Teil A Rdn 228.
Rdn 241
1.a) Die Berufung ist beschränkbar
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bei mehreren Angeklagten auf einen von ihnen, |
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bei mehreren Taten (§ 264 Abs. 1 StPO) auf eine von diesen (sog. vertikale Beschränkung), |
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bei einer Tat i.d.R. auf den Rechtsfolgenausspruch (sog. horizontale Beschränkung), |
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innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf bestimmte Punkte. |
Rdn 242
b) Die wirksame Beschränkung setzt voraus, dass Gegenstand der – beschränkten – Berufung ein vollständiges Urteil des Amtsgerichts ist. Daran fehlt es, wenn das Urteil überhaupt nicht unterschrieben ist (OLG Düsseldorf StV 1987, 97; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2010, 250) oder keine Urteilsgründe enthält (BGHSt 46, 204).
Rdn 243
c) Bilden mehrere Taten i.S.v. § 53 StGB eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinn (§ 264 StPO), ist die Berufung nur dann auf einen der materiell-rechtlichen Vorwürfe beschränkbar, wenn dessen Überprüfung möglich ist, ohne dass sich das Berufungsgericht zu den übrigen rechtskräftig abgeurteilten Straftaten in Widerspruch setzen würde (OLG Düsseldorf VRS 74, 366 = wistra 1988, 118; OLG Jena NStZ-RR 2005, 276; OLG Oldenburg StRR 2008, 402; Meyer-Goßner/Schmitt, § 318 Rn 7; Muster → Berufung, Beschränkung, Allgemeines, Teil A Rdn 238). Erstrebt die StA mit der Berufung lediglich die Berichtigung des Urteilstenors, indem sie diese auf den Teilfreispruch beschränkt, ist dies zulässig, denn es geht allein um die Berichtigung einer Rechtsfolge, deren Anordnung angesichts des festgestellten und rechtlich zutreffend gewürdigten Sachverhalts unzulässig war und nicht um eine neue Bewertung eines Teils des Sachverhalts (OLG Zweibrücken VRS 85, 206).
Rdn 244
Bei einer Tat, die mit einer anderen in Tateinheit steht, ist die Beschränkung der Berufung auf einen oder mehrere rechtliche Gesichtspunkte unzulässig (OLG Hamm NZV 2008, 164). Kann über ein Konkurrenzverhältnis erst nach Durchführung der Berufungshauptverhandlung befunden werden, ist das Rechtsmittel ebenso wenig beschränkbar (OLG Köln NStE Nr. 14 zu § 318 StPO).
Rdn 245
d) Der Schuldspruch allein ist nicht anfechtbar (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2008, 381; LR-Gössel, § 318 Rn 62). Auch auf Teile des Schuldspruchs kann die Berufung nicht beschränkt werden (OLG Oldenburg NStZ-RR 1996, 77). Dies gilt insgesamt auch für die diesbezüglich vom AG getroffene rechtliche Würdigung des Sachverhalts (OLG Frankfurt/Main StraFo 2003, 383). Zum Schuldspruch zählen
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die den Schuldumfang betreffenden Voraussetzungen eines minder schweren oder besonders schweren Falles (obwohl es sich bei den Regelungen über minder schwere oder besonders schwere Fälle eigentlich um Strafzumessungsgesichtspunkte handelt), – differenzierend – BGH, Beschl. v. 21.10.1980 – 1 StR 262/80, NJW 1981, 589 |
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"Strafänderungsgründe", Qualifikationen (BGH NStZ 1982, 29 [§ 260 StGB]; deren Vorliegen betrifft den Schuldspruch und nicht nur den Strafausspruch), |
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die Suchtmotivation bei Betäubungsmittelstraftaten (BayObLG NStZ-RR 2004, 246). |
☆ Die Frage der eingeschränkten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) ist hingegen nicht Teil der Schuldfrage (im Gegensatz zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB) und steht daher grundsätzlich einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht entgegen (BGHSt 7, 283; OLG Köln NStZ 1984, 379; Meyer-Goßner/Schmitt , § 318 Rn 15 m.w.N.), sofern die Feststellungen vollständig sind (BayObLG, Beschl. v. 20.6.2023 – 203 StRR 226/23, StV 2024, 88: unwirksame Berufungsbeschränkung, da Schuldunfähigkeit im Raum stand und keine Feststellungen zur Berechnung der Tatzeit-BAK vorhanden waren), woran es insbesondere fehlt, wenn das Amtsgericht die Anwendbarkeit der §§ 20, 21 StGB nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestand.§ 21 StGB) ist hingegen nicht Teil der Schuldfrage (im Gegensatz zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB) und steht daher grundsätzlich einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht entgegen (BGHSt 7, 283; OLG Köln NStZ 1984, 379; Meyer-Goßner/Schmitt, § 318 Rn 15 m.w.N.), sofern die Feststellungen vollständig sind (BayObLG, Beschl. v. 20.6.2023 – 203 StRR 226/23, StV 2024, 88: unwirksame Berufungsbeschränkung, da Schuldunfähigkeit im Raum stand und keine Feststellungen zur Berechnung der Tatzeit-BAK vorhanden waren), woran es insbesondere fehlt, wenn das Amtsgericht die Anwendbarkeit der §§ 20, 21 StGB nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestand.
Rdn 246
e) Bei Regelbeispielen ist Folgendes zu beachten (BGHSt 29, 359):
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Tragen die Feststellungen den Schuldspruch (doppelrelevante Feststellungen) und wendet sich der Rechtsmittelführer sich gegen die Feststellungen, ergreift sein Rechtsmittel auch den Schuldspruch. |
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Si... |