Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Beschwerdegericht entscheidet grundsätzlich in der Sache selbst. |
2. |
Entscheidungsgrundlage können nur die Tatsachen und Beweismittel sein, die den Verfahrensbeteiligten bekannt sind. |
3. |
Für das Beschwerdeverfahren gilt das allgemeine Beschleunigungsgebot in Strafverfahren. |
4. |
Im Beschwerderecht fehlt eine § 354 Abs. 2 vergleichbare Vorschrift. Eine Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht. |
5. |
Eine Bindung des Ausgangsgerichts an die Auffassung des Beschwerdegerichts nach Zurückverweisung besteht nicht, § 358 Abs. 1 findet keine entsprechende Anwendung. |
6. |
War das Ausgangsgericht örtlich unzuständig, ist dem Beschwerdegericht eine Sachentscheidung grundsätzlich nicht möglich. |
Rdn 482
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 401.
Rdn 483
1. Das Beschwerdegericht entscheidet grundsätzlich in der Sache selbst. Für Beschwerden gegen Entscheidungen des AG ist das LG zuständig, für Beschwerden gegen Entscheidungen des LG das OLG. Über Beschwerden gegen Beschlüsse und Verfügungen des OLG (§ 304 Abs. 4 u. Abs. 5, → Beschwerde, Beschwerdeausschluss, Teil A Rdn 417) entscheidet der BGH (§ 135 Abs. 2 GVG).
Rdn 484
a) Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage durch Beschluss, eine mündliche Verhandlung ist nur in den Fällen des § 118 Abs. 2 (hierzu Hillenbrand, ZAP F. 22 S. 1077 f.) und des § 124 Abs. 2 S. 3 zulässig. Das Beschwerdegericht kann aber aus besonderen Gründen mündliche Erklärungen entgegennehmen oder herbeiführen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 309 Rn 1). Unterlässt das Beschwerdegericht eine eigene Sachentscheidung, verletzt es den Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG; BVerfG NVwZ 2005, 1304).
Rdn 485
☆ Eine nicht statthafte, nicht formgerecht oder verfristet eingelegte Beschwerde verwirft das Beschwerdegericht dagegen ohne Prüfung in der Sache als unzulässig ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 309 Rn 3).verwirft das Beschwerdegericht dagegen ohne Prüfung in der Sache als unzulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, § 309 Rn 3).
Rdn 486
b) Erweist sich die Beschwerde dagegen als zulässig, wird die angefochtene Entscheidung grundsätzlich umfassend überprüft. Das Beschwerdegericht kann ergänzende Ermittlungen veranlassen oder selbst durchführen (§ 308 Abs. 2); im Ermittlungsverfahren ist seine Aufklärungsbefugnis aber auf die Umstände und Beweismittel beschränkt, die die Ermittlungsbehörde zur Grundlage einer beantragten gerichtlichen Entscheidung gemacht wissen will (Meyer-Goßner/Schmitt, § 308 Rn 6 m.w.N.). Hatte der Erstrichter eine Ermessensentscheidung zu treffen, tritt an ihre Stelle die Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts (KK/Maur, § 309 Rn 6), dieses übt mithin grundsätzlich sein eigenes Ermessen aus.
Rdn 487
☆ Ausnahmen von diesem Grundsatz sind geregelt in § 305a (→ Beschwerde, Beschwerdeeinschränkung, Bewährungsbeschluss , Teil A Rdn 439 ) und in § 453 Abs. 2, hier führt die Beschwerde lediglich zu einer eingeschränkten Überprüfung der Ausgangsentscheidung. Das Rechtsmittel kann in diesen Fällen nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzeswidrig ist oder dass die Bewährungszeit nachträglich verlängert wurde. von diesem Grundsatz sind geregelt in § 305a (→ Beschwerde, Beschwerdeeinschränkung, Bewährungsbeschluss, Teil A Rdn 439) und in § 453 Abs. 2, hier führt die Beschwerde lediglich zu einer eingeschränkten Überprüfung der Ausgangsentscheidung. Das Rechtsmittel kann in diesen Fällen nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzeswidrig ist oder dass die Bewährungszeit nachträglich verlängert wurde.
Rdn 488
aa) Erweist sich die angefochtene Entscheidung nach der Überprüfung durch das Beschwerdegericht als rechtmäßig, wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
Rdn 489
bb) Hält die Ausgangsentscheidung dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht stand, wird sie vom Beschwerdegericht aufgehoben. Zugleich trifft das Beschwerdegericht die in der Sache erforderliche Entscheidung (§ 309 Abs. 2).
Rdn 490
2. Entscheidungsgrundlage können nur die Tatsachen und Beweismittel sein, die den Verfahrensbeteiligten bekannt sind (arg. § 311a Abs. 1 S. 1). Deshalb hat der Beschwerdeführer stets Anspruch darauf, Stellungnahmen des Verfahrensgegners vor Ergehen der Beschwerdeentscheidung zur Kenntnis zu erhalten und hierauf erwidern zu können (BVerfG NJW 2001, 3695; Beschl. v. 15.11.2010 – 2 BvR 1183/09).
☆ In Fällen einer Kollision zwischen dem Geheimhaltungsbedürfnis auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden einerseits und dem Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör andererseits kann dies dazu führen, dass das Beschwerdegericht verpflichtet ist, mit seiner Entscheidung so lange zu warten, bis sich der Beschwerdeführer zu sämtlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkten äußern konnte (BVerfG NStZ 2007, 274; NStZ-RR 2008, 16; zur Beschränkung von Akteneinsicht insbesondere in Haftverfah...