Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
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Eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde hin ergangenen Entscheidung ist grundsätzlich ausgeschlossen. |
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§ 310 Abs. 1 enthält einen – abschließenden – Ausnahmekatalog für die besonders eingriffsintensiven Maßnahmen der Verhaftung, der einstweiligen Unterbringung und der Anordnung eines dinglichen Arrests über einen Betrag von mehr als 20.000 EUR. |
Rdn 573
Literaturhinweise:
Neuheuser, Ist die Erzwingungshaft gem. § 96 OWiG als "Verhaftung" mit der weiteren Beschwerde gem. § 310 Abs. 1 StPO anfechtbar?, NStZ 2020, 12
Roth, Der StPO-Arrest im Steuerstrafverfahren – Ausschluss des Steuerfiskus von der Rückgewinnungshilfe nach § 111b Abs. 2 und 5 StPO?, wistra 2010, 335
s.a. die Hinw. bei → Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 401.
Rdn 574
1.a) Eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde hin ergangenen Entscheidung ist grundsätzlich ausgeschlossen (§ 310 Abs. 2, zur weiteren Beschwerde auch Burhoff, EV, Rn 5628 ff.). Dies gilt auch dann, wenn Verfahrensbeteiligte, insbesondere der Gegner des Beschwerdeführers, erstmals durch die Beschwerdeentscheidung beschwert sind; ein Beschwerderecht besteht auch dann nur in Fällen des § 310 Abs. 1 (KK/Zabeck, § 310 Rn 2).
Rdn 575
Der Ausschluss der weiteren Beschwerde gilt jedoch nur für Beschlüsse, die auf eine Beschwerde hin erlassen worden sind; die erst- und die zweitinstanzliche Entscheidung müssen jeweils denselben Verfahrensgegenstand betreffen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der gesamten Prozesslage (Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 2).
Rdn 576
b) Hiervon ausgehend liegt keine Beschwerdeentscheidung i.S.d. § 310 Abs. 2 vor, wenn,
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gar keine Beschwerde eingelegt, sondern nur die Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt worden war (KG, Beschl. v. 19.10.2020 – 3 Ws 241/20, Blutalkohol 58, 41; OLG Braunschweig NZV 1996, 122; a. OLG Celle MDR 1975, 957: nur Berufung, aber keine Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung nach dem StrEG); |
☆ Dagegen sind die Entscheidungen, die auf erst im Beschwerderechtszug neben der eigentlichen Beschwerde gestellte Anträge hin ergehen, ihrerseits beschwerdefähig ( Burhoff , EV, Rn 5632). Dies betrifft neben Anträgen auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zB auch Wiedereinsetzungsanträge oder Anträge auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 310 Rn 3; SSW-StPO/ Hoch , § 310 Rn 5).neben der eigentlichen Beschwerde gestellte Anträge hin ergehen, ihrerseits beschwerdefähig (Burhoff, EV, Rn 5632). Dies betrifft neben Anträgen auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zB auch Wiedereinsetzungsanträge oder Anträge auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers (Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 3; SSW-StPO/Hoch, § 310 Rn 5).
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das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung auch über Umstände entschieden hat, die zuvor nicht Verfahrensgegenstand gewesen sind (OLG Stuttgart NStZ 2001, 496; Burhoff, EV, a.a.O.); |
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das Beschwerdegericht als Gericht des 1. Rechtszugs zuständig gewesen wäre (Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn 2); |
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das AG für die angefochtene Entscheidung sachlich oder funktionell unzuständig war; in diesem Fall ist die auf Grund einer Beschwerde ergangene Entscheidung des LG entsprechend der wahren Rechtslage als erstinstanzlich anzusehen und mit der Beschwerde anfechtbar (KG NStZ 2007, 422; OLG Hamm, Beschl. v. 4.12.2012 – 2 Ws 372/12; OLG Karlsruhe StraFo 2012, 33; OLG Koblenz NStZ-RR 2011, 211; a.A. für den Fall der erstinstanzlich zuständigen StVK OLG Jena NStZ-RR 2016, 19; OLG Frankfurt NStZ-RR 2017, 252; OLG Celle NStZ-RR 2016, 326; weitere Nachw. bei KK/Zabeck, § 310 Rn 4); |
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das LG als funktionell unzuständiges Gericht über die Beschwerde entschieden hat, obwohl hierzu das OLG berufen war, denn anderenfalls wäre die vom Gesetz gewollte Entscheidung des OLG im Beschwerdeverfahren nicht erreichbar (OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2012, 54; NJW 1980, 1808; KK/Zabeck a.a.O.); |
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das Beschwerdegericht trotz erfolgreichen Hauptantrags über die nur hilfsweise eingelegte Beschwerde entschieden hat (OLG Nürnberg NStZ-RR 1999, 53). |
Rdn 577
2.a) § 310 Abs. 1 enthält einen – abschließenden (BVerfG NJW 1978, 1911; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.8.2022 – 1 Ws 85/22; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.1.2022 – 4 Ws 235/21) – Ausnahmekatalog für die besonders eingriffsintensiven Maßnahmen der Verhaftung, der einstweiligen Unterbringung oder der Anordnung eines dinglichen Arrests nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20.000 EUR. Dazu folgender
Rdn 578
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Der Regelungsgehalt des 310 Abs. 1 Nr. 1 (Verhaftung) deckt sich mit demjenigen in § 304 Abs. 4 S. 2 Nr. 1, Abs. 5 (KK/Zabeck, § 310 Rn 10; → Beschwerde, Beschwerdeausschluss, Teil A Rdn 424 f.). Er umfasst jeweils nur Fragen des Bestands der Haftanordnung und bezieht sich nicht auf den Vollzug der (Untersuchungs-)Haft (→ Untersuchungshaft, weitere Beschwerde [§ 310], Teil B Rdn 1063). Das Festhalten des Beschuldigten zur Identitätsfeststellung (§§ 163b, 163c) stellt keine... |