Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Beteiligungsrechte der Eltern an Verfahren gegen ihre Kinder sind in §§ 67 und 67a JGG geregelt. |
2. |
Der Richter kann gem. § 67 Abs. 4 JGG dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Verfahrensrechte entziehen. |
3. |
Rechtsbehelf gegen den Entzug der Verfahrensrechte ist eine (einfache) Beschwerde. |
Rdn 732
Literaturhinweise:
Epik, Das Elternkonsultationsrecht im Jugendstrafverfahren, StV 2020, 703
s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 603.
Rdn 733
1. In Verfahren gegen Jugendliche haben Eltern und sonstige Erziehungsberechtigte bzw. gesetzliche Vertreter im selben Umfang wie der junge Beschuldigte selbst, Anhörungs-, Frage- und Antragsrechte (§ 67 Abs. 1 JGG). Sie haben zudem das Recht, grundsätzlich bei allen Untersuchungshandlungen anwesend zu sein, bei denen auch dem Jugendlichen die Anwesenheit gestattet ist (§ 67 Abs. 3 JGG). Sie können – ebenso wie der Jugendliche selbst, aber eben auch unabhängig von diesem – einen Verteidiger beauftragen und Rechtsmittel einlegen (§ 67 Abs. 2 JGG). Zudem bestimmt § 67a JGG, dass alle Mitteilungen und Informationen, die der Jugendliche zu erhalten hat, auch an die Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter zu richten sind.
☆ § 67 JGG gilt nur für Jugendliche , nicht für Heranwachsende, und zwar auch nicht, wenn materiell Jugendstrafrecht auf sie angewandt wird, da diese bereits volljährig sind. Maßgeblich ist der jeweilige Zeitpunkt der Ermittlungshandlung bzw. der HV.nur für Jugendliche, nicht für Heranwachsende, und zwar auch nicht, wenn materiell Jugendstrafrecht auf sie angewandt wird, da diese bereits volljährig sind. Maßgeblich ist der jeweilige Zeitpunkt der Ermittlungshandlung bzw. der HV.
Rdn 734
Diese sog. Elternrechte können nur von den Erziehungsberechtigten und/oder gesetzlichen Vertretern selbst ausgeübt werden; eine Vertretung von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Rechte aus § 67 JGG ist unzulässig, weil § 67 JGG gerade auf deren persönliche Mitwirkung abzielt (KG, Beschl. v. 14.5.2014 – 4 Ws 33/14 – 141 AR 235/15, StraFo 2015, 122; Epik StV 2020, 703; Eisenberg/Kölbel, § 67 Rn 15; Brunner/Dölling, § 67 Rn 9; D/S/S-Schatz, § 67 Rn 17).
Rdn 735
2.a) Der Richter kann gem. §§ 67 Abs. 4, 67a Abs. 6 JGG dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Verfahrensrechte entziehen. In diesem Fall ist dem Jugendlichen zum einen gem. § 68 Nr. 2 JGG ein Pflichtverteidiger zu bestellen (Burhoff, HV, Rn 2208 ff.), zum anderen nach § 67 Abs. 4 Satz 3 JGG (durch das Familiengericht) ein sog. Prozesspfleger, der dann im Verfahren die vom Entzug betroffenen Rechte wahrnimmt.
Rdn 736
b) Voraussetzung für den Entzug der Elternrechte ist, dass diese verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Nach h.M. soll "Beteiligung" i.S.d. Vorschrift nicht nur Täterschaft und Teilnahme bedeuten (§ 28 Abs. 2 StGB), sondern darüber hinaus auch die Beteiligung nach der Tat, im Sinne eines sog. Anschlussdelikts, d.h. Begünstigung (§ 257 StGB), Strafvereitlung (§ 258 StGB) oder Hehlerei (§ 259 StGB) (Eisenberg/Kölbel, § 67 Rn 44f; Brunner/Dölling, § 67 Rn 24; D/S/S-Schatz, § 67 Rn 43; a.A. § 67 Rn 18, Ostendorf/Sommerfeld, § 67 Rn 15 [nur Täterschaft und Teilnahme]). Liegen die Voraussetzungen der Beteiligung nur bei einem Erziehungsberechtigten oder gesetzlichem Vertreter vor, so kann beiden ihre Rechte entzogen werden, wenn andernfalls ein Missbrauch zu befürchten ist (§ 67 Abs. 4 S. 2 JGG). Dies ist dann der Fall, wenn die Stellung im Verfahren für das Interesse des anderen Erziehungsberechtigten bzw. gesetzlichen Vertreters, nicht oder milder bestraft zu werden, ausgenutzt wird. Für die Beteiligung müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (Anfangsverdacht); eines hinreichenden oder dringenden Tatverdachts bedarf es nicht (D/S/S-Schatz, § 67 Rn 43; Brunner/Dölling, § 67 Rn 24; weitergehend Eisenberg/Kölbel, § 67 Rn 45).
Rdn 737
Der Entzug der Rechte steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dieses sollte zurückhaltend ausgeübt werden (Eisenberg/Kölbel, § 67 Rn 45; Ostendorf/Sommerfeld, § 67 Rn 16). Die Rechte können vollständig oder – als milderes Mittel – teilweise entzogen werden.
Rdn 738
c) Zuständig für den Entzug der Rechte ist vor Anklageerhebung der Jugendermittlungsrichter, nach Anklageerhebung das Jugendgericht, nicht der Vorsitzende (Ostendorf/Sommerfeld, § 67 Rn 17; Brunner/Dölling, § 67 Rn 26; Eisenberg/Kölbel, § 67 Rn 49). Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der zu begründen ist (§ 34).
Rdn 739
3. Statthafte Rechtsbehelf bei einem Entzug der Rechte ist die (einfache) Beschwerde gem. § 304 (→ Beschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 400 ff.)
Rdn 740
Anfechtungsberechtigt sind sowohl der Erziehungsberechtigte bzw. gesetzliche Vertreter als auch der Jugendliche selbst.
Rdn 741
Die Beschwerde entfaltet keine aufschiebende Wirkung (§ 307). Um die ...