Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Für die Bekanntgabe von Entscheidungen gelten im JGG-Verfahren die allgemeinen Vorschriften der StPO. |
2. |
Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vorgeschrieben, soll die entsprechende Mitteilung gem. § 67a Abs. 1 JGG auch an den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden. |
3. |
Zu den Zustellungsvorschriften StPO ergeben sich grds. keine Besonderheiten. |
Rdn 743
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 6
Rdn 744
1. Für die Bekanntgabe von Entscheidungen gelten im JGG-Verfahren die allgemeinen Vorschriften der StPO (§§ 35 ff.; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 1482).
Rdn 745
Das Urteil ist dem anwesenden Jugendlichen bekannt zu geben. Umstr. ist, ob die Rechtsmittelfrist für die ebenfalls rechtsmittelberechtigten Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter bereits ab der Bekanntgabe des Urteils an den Jugendlichen zu laufen beginnt, wenn diese zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen haben (dafür D/S/S-Schatz, § 67a Rn 19; zust. Eisenberg/Kölbel, § 67a Rn 7 [nur wenn die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung gewährt wird]; OLG Hamm, Beschl. v. 5.1.2008 – 3 Ws 10, 11/08, NStZ 2009, 44; dagegen Ostendorf/Sommerfeld, § 67a Rn 5; BeckOK-JGG/Noak, § 67a Rn 9.1. unter Verweis auf BayObLG, Beschl. v. 25.5.1954 – BReg. 2 St. 30/54, NJW 1954, 1378).
Rdn 746
Umstr. ist, ob der Beschluss, durch den Ungehorsamsarrest (→ JGG-Besonderheiten, Ungehorsamsarrest, Teil A Rdn 906 ff.) verhängt wurde, gem. § 35 Abs. 1 in Anwesenheit des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden durch Verkündung wirksam bekannt gemacht werden kann. Nach richtiger Ansicht ist dies zu verneinen. Die Beschlussentscheidungen sind zuzustellen, unabhängig davon, ob eine mündliche Anhörung stattgefunden hat. Das Beschlussverfahren ist grds. schriftlich. Der Verurteilte soll daher in einem ausschließlich seiner Anhörung dienenden (ausnahmsweisen) Zusammentreffen der Beteiligten nicht mit einer (rechtsmittelfähigen) Entscheidung überrascht werden (KG, Beschl. v. 24.2.2003 – 5 Ws 78/03, ZJJ 2003, 303; D/S/S-Schatz, § 65 Rn 16; a.A. Ostendorf/Drenkhahn, § 65 Rn 5).
Rdn 747
2. Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vorgeschrieben, soll die entsprechende Mitteilung gem. § 67a Abs. 1 JGG auch an den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden. Bei mehreren Erziehungsberechtigten genügt es, wenn sie an einen Erziehungsberechtigten gerichtet sind (§ 67 Abs. 5 S. 3 JGG).
Rdn 748
Die Vorschrift wird von der Rspr. bislang als reine Ordnungsvorschrift angesehen, sodass die Verletzung keinen Revisionsgrund darstellen soll (BGH, Urt. v. 20.6.1996 – 5 StR 602/95, JR 1997, 79 mit abl. Anm. Eisenberg/Düffer JR 1997, 80). Die jugendstrafrechtliche Literatur lehnt diese Auffassung unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und die insoweit klaren Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/800 überwiegend ab und hält eine Unterrichtung für zwingend geboten (Eisenberg/Kölbel, § 67a Rn 6; Beck-OK JGG/Noak, § 67a Rn 6; D/S/S-Schatz, § 67a Rn 22.
Rdn 749
3. Zu den Zustellungsvorschriften der StPO ergeben sich grds. keine Besonderheiten (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1840 ff.).
Rdn 750
Das Urteil wird an den Jugendlichen oder Heranwachsenden selbst zugestellt. Einer Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe an die Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter bedarf es nicht (BGH, Beschl. v. 25.9.1962 – 1 StR 368/62, BGHSt 18, 21, 24; OLG Hamm, Beschl. v. 15.1.2008 – 3 Ws 10/08, NStZ 2009, 45). Bei Ihnen genügt die formlose Mitteilung.
Rdn 751
Der Jugendgerichtshilfe wird das Urteil nicht zugestellt, sondern lediglich mitgeteilt.
Rdn 752
Zur öffentlichen Zustellung einer Ladung zur Berufungshauptverhandlung bei einem jugendlichen Angeklagten (→ JGG-Besonderheiten, Ladung, Teil A Rdn 804).
Siehe auch: → JGG-Besonderheiten, Elternbeschwerde, Teil A Rdn 731; → JGG-Besonderheiten, Ladung, Teil A Rdn 801; → JGG-Besonderheiten, Revision, Teil A Rdn 857; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Allgemeines, Teil A Rdn 1840; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Anordnung, Teil A Rdn 1862; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Auslandszustellung, Teil A Rdn 1872; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Bewirkung, Teil A Rdn 1882; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Durchführung, Teil A Rdn 1889; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Ersatzzustellung, Teil A Rdn 1906; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Gemeinschaftseinrichtung, Teil A Rdn 1920; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Verteidigerzustellung, Teil A Rdn 1976; → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Wohnungszustellung, Teil A Rdn 1991.