Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Für Verfahren gegen Jugendliche gelten grds. gem. § 2 Abs. 2 JGG die allgemeinen Vorschriften des GVG und der StPO auch über die gerichtlichen Zuständigkeiten. |
2. |
Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden werden vor den Jugendgerichten verhandelt. |
3. |
Für Berufungen ist die Jugendkammer zuständig. |
4. |
Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte gelten gem. § 108 Abs. 1 JGG auch bei Verfehlungen Heranwachsender. |
5. |
Die Richter bei den Jugendgerichten sollen gem. § 37 Abs. 1 S. 1 JGG erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. |
6. |
Es gilt der Vorrang der Jugendgerichte. |
Rdn 1025
Literaturhinweise:
Breymann, Was müssen Jugendrichter/Innen eigentlich wissen und können? ZJJ 2011, 88
Caspari, Die Besetzungsreduktion bei den großen Straf- und Jugendkammern, DRiZ 2011, 302
Deutscher, Die Zweier-Besetzung in der Hauptverhandlung als dauerhafter Regelfall – Zur Neuregelung der §§ 76 GVG, 33b JGG, StRR 2012, 10
Schmidt, Die Besetzung der großen Jugendkammer in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Jugendschöffengerichts (§ 33b JGG), NStZ 1995, 215
s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 603.
Rdn 1026
1. Für Verfahren gegen Jugendliche gelten grds. gem. § 2 Abs. 2 JGG die allgemeinen Vorschriften des GVG und der StPO auch über die gerichtlichen Zuständigkeiten, allerdings mit einigen Besonderheiten.
Rdn 1027
2.a) Bei den Jugendgerichten handelt es sich nicht um einen besonderen Gerichtszweig, sondern lediglich um besondere Spruchkörper, die wie die allgemeinen Strafgerichte bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit angesiedelt sind. Die Jugendgerichte sind gemäß § 33 Abs. 2 JGG beim AG der Strafrichter als Jugendrichter (Einzelrichter) und das Schöffengericht als Jugendschöffengericht (ein Jugendrichter und zwei Jugendschöffen), beim LG die Strafkammer als Jugendkammer (zur Besetzung Teil A Rdn 1038).
Rdn 1028
b) Die Jugendgerichte sind für die Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender zuständig (§ 33 Abs. 1 JGG). Es kommt dabei auf das Alter zur Tatzeit an. Ob – bei zur Tatzeit Heranwachsenden – prognostisch das Jugend- oder das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommen wird, spielt für die sachliche Zuständigkeit der Jugendgerichte keine Rolle (§ 107 JGG).
Rdn 1029
Die Jugendgerichte sind auch dann zuständig, wenn gegen Jugendliche bzw. Heranwachsende und Erwachsene gemeinsam verhandelt wird (§ 103 Abs. 2 S. 1 JGG). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind erstinstanzliche Verfahren mit einer Sonderzuständigkeit der Oberlandesgerichte (§ 102 S. 1 JGG i.V.m. § 120 GVG) sowie Staatsschutz- und Wirtschaftsverfahren mit Straftaten aus dem Katalog der §§ 74a und 74e GVG, wenn Jugendliche bzw. Heranwachsende und Erwachsene gemeinsam angeklagt sind (§ 103 Abs. 2 S. 2 JGG). In den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 des GVG) entscheidet der BGH auch über Beschwerden gegen Entscheidungen dieser OLG, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung angeordnet oder abgelehnt wird (§ 59 Abs. 1 Abs. 1 JGG, § 61a JGG; → JGG-Besonderheiten, Bewährungsfragen, Teil A Rdn 660 ff.).
Rdn 1030
c) Bei den OLG und beim BGH gibt es keine Jugendgerichte – also keine "Jugendsenate" o.ä. Dort sind für Revisionen über Jugendsachen die allgemeinen Strafsenate zuständig.
☆ Für die Berufung sind Jugendgerichte zuständig, nicht jedoch für die Revisionen beim OLG oder BGH.Berufung sind Jugendgerichte zuständig, nicht jedoch für die Revisionen beim OLG oder BGH.
Rdn 1031
d) In sog. Jugendschutzsachen sind Jugendgerichte auf für Straftaten zuständig, die Erwachsene begangen haben und durch die ein Kind oder Jugendlicher verletzt oder gefährdet wurde (§ 26 GVG). Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit kindlicher oder jugendlicher Zeugen, denen eine Vernehmung in zwei Tatsacheninstanzen erspart werden soll, kann auch bei Straftaten, die an sich im Hinblick auf die Straferwartung vor dem Amtsgericht verhandelt werden müssten, Anklage zur Jugendkammer erhoben werden (§§ 24, 25, 74b GVG).
Rdn 1032
3.a) Der Jugendrichter ist als Einzelrichter ist zuständig, wenn nur die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln zu erwarten ist. Er hat dann aber – unabhängig von dieser zuständigkeitsbestimmenden Straferwartung – eine Strafgewalt von bis zu einem Jahr Jugendstrafe (§ 39 JGG).
Rdn 1033
b)aa) Die Jugendkammer ist erstinstanzlich zuständig für Straftaten, die nach den ...