Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Auf die Einlegung einer Rechtsbeschwerde kann gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 302 verzichtet werden. |
2. |
Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht liegt nicht vor, solange Zweifel am Verzichtswillen des Betroffenen bestehen. |
3. |
Beruht das Urteil auf einer Absprache nach § 257c ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen. |
4. |
Für den Rechtsmittelverzicht gelten die gleichen Formerfordernisse wie für die Rechtsmitteleinlegung. |
Rdn 1142
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1045 und bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Verzicht, Allgemeines, Teil A Rdn 1735.
Rdn 1143
1. Auf die Einlegung einer Rechtsbeschwerde kann gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 302 verzichtet werden. Auch in Bußgeldsachen muss der Rechtsmittelverzicht aber eindeutig und zweifelsfrei sein (OLG Hamm NZV 1999, 182; OLG Koblenz VRS 61, 362). Davon ist z.B. auszugehen, wenn der Betroffene nach Rücksprache mit seinem Verteidiger in der HV nach Verkündung des Urteils und erfolgter Rechtsmittelbelehrung erklärt: "Ich nehme das Urteil an und verzichte auf Rechtsmittel." und diese Erklärung vollständig protokolliert, vorgelesen und genehmigt wurde (§ 273 Abs. 3). Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht kann aber z.B. auch dann vorliegen, wenn der Betroffene bei Anordnung eines Fahrverbots und Verhängung einer Geldbuße seinen Führerschein zu den Akten reicht und um Übersendung einer Zahlkarte bittet (OLG Naumburg NStZ-RR 1997, 340) oder ohne Vorbehalt erklärt, die Geldbuße und die Verfahrenskosten tragen zu wollen (OLG Stuttgart NJW 1990, 1494).
☆ In der Bezahlung der Geldbuße allein liegt allerdings noch kein eindeutiger und zweifelsfreier Rechtsmittelverzicht, weil die Zahlungsannahmestelle der Bußgeldbehörde kein gesetzlicher Adressat für einen Rechtsmittelverzicht ist und der Betroffene der irrigen Ansicht gewesen sein kann, eine Geldbuße müsse ohne Rücksicht auf einen eingelegten Rechtsbehelf erst einmal bezahlt werden (OLG Stuttgart NZV 1998, 81 = VRS 94, 276; a.A. AG Hersfeld NZV 1998, 222).Bezahlung der Geldbuße allein liegt allerdings noch kein eindeutiger und zweifelsfreier Rechtsmittelverzicht, weil die Zahlungsannahmestelle der Bußgeldbehörde kein gesetzlicher Adressat für einen Rechtsmittelverzicht ist und der Betroffene der irrigen Ansicht gewesen sein kann, eine Geldbuße müsse ohne Rücksicht auf einen eingelegten Rechtsbehelf erst einmal bezahlt werden (OLG Stuttgart NZV 1998, 81 = VRS 94, 276; a.A. AG Hersfeld NZV 1998, 222).
Rdn 1144
2. Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht liegt nicht vor, so lange Zweifel am Verzichtswillen des Betroffenen bestehen (BGH wistra 1999, 22; OLG Hamm NStZ 1986, 378; OLG Köln VRS 41, 440; auch BVerfG NStZ-RR 2008, 209 [so lange kein Rechtsmittelverzicht, wie zu erkennen gegeben wird, dass die Frage des Verzichts noch erörtert werden soll]). Die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts kann sich auch daraus ergeben, dass dem Betroffenen vom Gericht eine Verzichtserklärung abverlangt worden ist, ohne dass dieser Gelegenheit hatte, sich vorher mit seinem Verteidiger zu beraten (hierzu BGH NStZ-RR 1997, 305; OLG Düsseldorf StV 1993, 237, 238; eingehend zum Rechtsmittelverzicht → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Verzicht, Allgemeines, Teil A Rdn 1735 ff.; s.a. noch Burhoff, HV, Rn 2694 ff.). Ausnahmsweise kann ein Rechtsmittelverzicht auch dann unwirksam sein, wenn er lediglich aufgrund einer – sei es auch irrtümlich – objektiv unrichtigen Erklärung oder Auskunft des Gerichts zustande gekommen ist (BGH NStZ 1999, 258 und 526; 2001, 493 m.w.N.; NStZ-RR 2005, 149; KG DAR 2007, 656).
Rdn 1145
3. Beruht das Urteil auf einer verfahrenserledigenden Absprache (§ 257c) ist ein Rechtsmittelverzicht gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 1 S. 2 ausgeschlossen (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Verzicht, Allgemeines, Teil A Rdn 1740; auch noch Burhoff, HV, Rn 2694 ff.; aber BGHSt 55, 82). Das gilt auch dann, wenn es sich lediglich um eine sog. "informelle Verständigung" gehandelt haben sollte (OLG Köln NStZ 2015, 53 = StV 2015, 281).
Rdn 1146
4. Für den Rechtsmittelverzicht gelten die gleichen Formerfordernisse wie für die Rechtsmitteleinlegung. Eine entsprechende Verzichtserklärung muss deshalb schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. 341; auch BGHSt 18, 257, 260). Da der Rechtsmittelverzicht eine Prozesshandlung darstellt, ist er grds. bedingungsfeindlich und unwiderruflich (z.B. BGHSt 5, 183; 45, 51, 53). Ausnahmen kommen nur bei schwerwiegenden Willensmängeln in Betracht (a. Burhoff, HV, Rn 2694 ff.; BVerfG NStZ-RR 2008, 209; 2017, 92 m.w.N.).
Siehe auch: → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Verzicht, Allgemeines, Teil A Rdn 1735, m.w.N.; → Revision, Rechtsmittelverzicht, Teil A Rdn 2196.