Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
An die Erhebung der Sachrüge werden nur geringe formale Anforderungen gestellt. |
2. |
Auch auf eine nicht im Einzelnen begründete Sachrüge hin, ist das angefochtene Urt. v. Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang auf sachlich-rechtliche Fehler zu überprüfen. |
3. |
Das Rechtsbeschwerdegericht prüft auf die Sachrüge, ob das Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet worden ist und ob die Urteilsfeststellungen überhaupt eine tragfähige Grundlage für diese Prüfung darstellen. |
4. |
Der Einwand, die Urteilsfeststellungen seien aktenwidrig, kann mit der Sachrüge nicht erhoben werden. |
5. |
Das Rechtsbeschwerdegericht untersucht das Urteil auf Subsumtionsfehler. |
6. |
Fehler der Beweiswürdigung können Gegenstand der Sachrüge sein. |
7. |
Mit der Sachrüge kann eine fehlerhafte Bemessung der Rechtsfolgen gerügt werden. |
Rdn 1156
Literaturhinweise:
Burhoff, Verteidigerfehler in der Tatsachen- und Revisionsinstanz, StV 1997, 432
Herdegen, Bemerkungen zur Beweiswürdigung, NStZ 1987, 193
s.a. die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1045 und → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1292.
Rdn 1157
1.a) An die Erhebung der Sachrüge werden nur geringe formale Anforderungen gestellt. Grds. gelten die Ausführungen zur → Revision, Sachrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2225 ff. entsprechend. Auf diese wird deshalb verwiesen.
Rdn 1158
b) Es genügt also auch zur Begründung der Rechtsbeschwerde z.B. die Formulierung "Gerügt wird die Verletzung sachlichen Rechts." (allgemeine Sachrüge). Mehr ist nicht erforderlich. Der Betroffene muss die Sachrüge nicht im Einzelnen begründen (ergänzend BGHSt 25, 272; zur Begründung der Sachrüge in der Revision → Revision, Sachrüge, Allgemeines, Teil A Rdn 2225 ff.; Burhoff StV 1997, 432, 438 und Burhoff, HV, Rn 2804; zusammenfassend auch Gieg/Olbermann DAR 2009, 617; Junker/Veh VRR 2006, 9 ff. und 50 ff.). Es ist grds. sogar ausreichend, wenn ohne ausdrückliche Erhebung der Sachrüge aus den Ausführungen erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil wegen sachlich-rechtlicher Fehler zur Überprüfung stellt (z.B. BGH, Beschl. v. 19.6.2019 – 5 StR 107/19; BGH NStZ-RR 2000, 294; OLG Bamberg zfs 2014, 55 m. Anm. Burhoff VRR 2013, 311; OLG Hamm VRS 100, 459). Unzureichend ist es aber, wenn der Beschwerdeführer das Urteil nur pauschal als "rechtsfehlerhaft" beschreibt, weil dann nicht klar ist, ob er Verfahrensfehler oder sachlich-rechtliche Fehler rügen will; eine Sachrüge liegt dann nicht vor (OLG Hamm VA 2016, 180). Es genügt auch nicht, wenn der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil durch das Rechtsbeschwerdevorbringen nicht konkret als materiell fehlerhaft angreift, sondern z.B. nur allgemein die Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG begehrt (KG NZV 1996, 124) oder er nur den Wunsch äußert, die Erhöhung der Geldbuße wieder rückgängig zu machen und stattdessen die ursprüngliche Geldstrafe und das verhängte Fahrverbot wiederherzustellen (OLG Bamberg VRR 2013, 311). Auch bloße Angriffe gegen die Beweiswürdigung oder die Tatsachenfeststellungen stellen für sich genommen noch keine zulässige Sachrüge dar (OLG Hamm VRS 97, 49; VRS 99, 459; Beschl. v. 8.4.2014 – 1 RVs 104/13; s.a. BGH NStZ-RR 1998, 18). Dies ergibt sich daraus, dass das Rechtsbeschwerdegericht grds. an die Feststellungen des Urteils gebunden ist und die Beweiswürdigung des Tatrichters nicht durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzen darf. Eine Rechtsbeschwerde, die noch nicht einmal in ausreichender Form die allgemeine Sachrüge erhebt, wird als unzulässig verworfen (z.B. BGH NStZ 1991, 597; OLG Hamm StV 2009, 67; StRR 2014, 388; VA 2016 180; OLG Düsseldorf NStZ 1993, 99).
☆ Es stellt einen schweren Verteidigerfehler dar, wenn neben der Verfahrensrüge nicht auch zumindest (vorsorglich) die allgemeine Sachrüge erhoben wird ( Burhoff StV 1997, 432), selbst wenn der Verteidiger nur Verfahrensverstöße geltend machen will. Denn nur die Sachrüge eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht den umfassenden Zugang zum Urteil und damit ggf. auch den Zugang zu Urteilsstellen, die für die Verfahrensrüge bedeutsam sein können (st.Rspr., u.a. BGHSt 38, 302; 38, 372; BGH NStZ 1996, 145; StraFo 2008, 332; u.a. BGH, Beschl. v. 26.3.2008 – 2 StR 61/08; OLG Brandenburg NStZ 1997, 612; OLG Celle StV 2013, 12 [Ls.] m. Anm. Burhoff StRR 2012, 424; OLG Hamm StraFo 2001, 244; StRR 2008, 308; 2008, 346; Meyer-Goßner/Schmitt , § 344 Rn 20). Durch die zusätzlich erhobene Sachrüge kann also im Rechtsbeschwerdeverfahren der Tatsachenvortrag des Verteidigers zur Verfahrensrüge um den Tatsachenstoff des Urteils ergänzt und beides im Zusammenhang gewürdigt werden.schweren Verteidigerfehler dar, wenn neben der Verfahrensrüge nicht auch zumindest (vorsorglich) die allgemeine Sachrüge erhoben wird (Burhoff StV 1997, 432), selbst wenn der Verteidiger nur Verfahrensverstöße geltend machen will. Denn nur die Sachrüge eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht den umfassenden Zugang zum Urteil und damit ggf. auch den Zugan...