Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Rdn 1208
Literaturhinweise:
s. die Hinweise bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1045.
Rdn 1209
1. Im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt – wie im Revisionsverfahren – das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2, der über § 79 Abs. 3 OWiG entsprechend anwendbar ist (OLG Düsseldorf MDR 1999, 500; OLG Hamm VRS 46, 194; 52, 131). Das bedeutet, dass die angefochtene amtsrichterliche Entscheidung auf eine durch den Betroffenen oder zu seinen Gunsten durch die StA eingelegte Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Betroffenen geändert werden darf.
☆ Zum Nachteil des Betroffenen kann die Entscheidung des AG allerdings in den Fällen geändert werden, in denen die StA zuungunsten des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt hat.zuungunsten des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt hat.
Rdn 1210
2. Das Verschlechterungsverbot bezieht sich jedoch nur auf den Rechtsfolgenausspruch, also die verhängte Geldbuße oder verhängte Nebenfolge (z.B. Fahrverbot). Beim Schuldspruch ist hingegen eine "Verböserung" möglich (OLG Celle NJW 1990, 589; OLG Düsseldorf VRS 80, 52). Das Verschlechterungsverbot hindert das neue Tatgericht im neuen Rechtsgang deshalb z.B. nicht an einer Verurteilung wegen Vorsatz statt Fahrlässigkeit (KG, Beschl. v. 30.1.2023 – 3 ORbs 5/23 – 122 Ss 138/22).
Rdn 1211
Demnach gilt: Die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrverbots stellt eine Verschlechterung des bloßen Bußgeldausspruchs dar (OLG Karlsruhe VRS 86, 137) und ist deshalb unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrverbots mit einer nachhaltigen Herabsetzung der Geldbuße einhergeht, weil die Verhängung eines Fahrverbots gegenüber der Geldbuße die härtere Sanktion darstellt (OLG Hamm NZV 2007, 635 f.; Beschl. v. 12.8.2004 – 4 Ss OWi 418/04; OLG Karlsruhe NZV 1993, 450). Umgekehrt darf allerdings die Geldbuße grds. erhöht werden, wenn gleichzeitig von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wird (OLG Hamm NZV 2007, 635 f.); dies stellt keinen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot dar. Die Eintragung von Punkten im VZR wird nicht vom Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 erfasst, weil es sich hierbei nicht um eine Sanktion des OWiG handelt. Zulässig ist z.B. auch die Änderung des Schuldspruchs von Tateinheit in Tatmehrheit, selbst wenn dadurch die Punktebewertung für den Betroffenen ungünstiger ausfällt (OLG Hamm VRS 52, 131).
Rdn 1212
3. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 ist sowohl vom OLG als auch im Fall einer Zurückverweisung vom AG zu beachten (auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 358 Rn 11).
Siehe auch: → Berufung, Verschlechterungsverbot, Allgemeines, Teil A Rdn 291, m.w.N.; → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil A Rdn 1045; → Revision, Verschlechterungsverbot, Teil A Rdn 2450.