Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Rdn 123
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil A Rdn 58.
Rdn 124
1. Für ein Verwerfungsurteil ist außer dem Umstand, dass u.a. für den ausgebliebenen, aber ordnungsgemäß geladenen Angeklagten (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Ladung, Allgemeines, Teil A Rdn 1588 ff.) auch ein Verteidiger mit Vertretungsvollmacht (→ Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Vertretung, Teil A Rdn 206) nicht erschienen ist, außerdem erforderlich, dass eine "genügende Entschuldigung" des Angeklagten fehlt.
☆ Die Rspr . der Obergerichte zum Begriff der genügenden Entschuldigung i.S. des § 329 a.F. ist auch nach der Neuregelung des § 329 weiter anwendbar . Insoweit haben sich keine Änderungen in der StPO ergeben.Rspr. der Obergerichte zum Begriff der "genügenden Entschuldigung" i.S. des § 329 a.F. ist auch nach der Neuregelung des § 329 weiter anwendbar. Insoweit haben sich keine Änderungen in der StPO ergeben.
Rdn 125
2. Über die genügende/nicht genügende Entschuldigung (vgl. wegen weiterer Rspr. bei Burhoff, HV, Rn 713 ff.) informiert folgendes
Rdn 126
☆ Eine genügende Entschuldigung wird man nach der Neuregelung des § 329 auch dann annehmen können/müssen, wenn der Angeklagte alles dafür getan hat, dass er im Berufungs-HV-Termin von (s)einem Verteidiger vertreten wird, dieser aber aus Gründen, die der Angeklagte nicht zu vertreten hat, in der HV nicht erscheint (vgl. a. § 329 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; s. auch Burhoff , HV, Rn 711 a.E.)."genügende Entschuldigung" wird man nach der Neuregelung des § 329 auch dann annehmen können/müssen, wenn der Angeklagte alles dafür getan hat, dass er im Berufungs-HV-Termin von (s)einem Verteidiger vertreten wird, dieser aber aus Gründen, die der Angeklagte nicht zu vertreten hat, in der HV nicht erscheint (vgl. a. § 329 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; s. auch Burhoff, HV, Rn 711 a.E.).
Rdn 127
Wie im Fall der Verspätung kann auch das endgültige Nichterscheinen des Angeklagten entschuldigt sein, wenn er objektiv am Erscheinen vor Gericht gehindert war und/oder ihn am Nichterscheinen subjektiv kein Verschulden trifft.
Rdn 128
Die weite Entfernung zwischen Wohn- und Gerichtsort rechtfertigt das Ausbleiben i.d.R. nicht (OLG Köln NJW 2002, 3741; LG Bielefeld NStZ-RR 1998, 343), kann aber im Fall einer Erkrankung (→ Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges, Erkrankung, Teil A Rdn 155) das Erscheinen unzumutbar machen (OLG Stuttgart VRS 106, 209). Muss der Angeklagte zu Gericht anreisen, hat er Zeitreserven einzuplanen (OLG Bamberg NJW 1995, 740). Bei Anreise mit dem Pkw gilt dies auch, wenn nach den Berechnungen eines Routenplaners ein rechtzeitiges Eintreffen möglich erscheint, sich infolge der konkreten Verkehrslage dann aber nicht realisieren lässt (OLG Jena NStZ-RR 2006, 147). Hinzuweisen ist auf folgende Rechtsprechungsbeispiele:
Rdn 129
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Ein unvorhersehbarer Wetterumschwung kann einen Entschuldigungsgrund darstellen (starker Nebel: OLG Bremen DAR 1956, 133; heftiger Schneefall: KG NStZ-RR 2002, 218); der Angeklagte sollte dann darlegen, dass auch die Wahl eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zum rechtzeitigen Erscheinen geführt hätte. |
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Nicht entschuldigt ist der Angeklagte, wenn er sich verspätet, weil er in einen – vorhersehbaren – Verkehrsstau geraten war (BVerfG StV 1994, 113 m. abl. Anm. Sieg zur Verkehrssituation in Frankfurt) oder keinen Parkplatz gefunden hat (KG, Beschl. v. 2.5.2001 – 3 Ws 142/01; Meyer-Goßner/Schmitt, § 329 Rn 27). Teilt der Angeklagte dagegen dem Gericht zunächst seine Verspätung aufgrund eines nicht vorhersehbaren Verkehrsstaus auf der Autobahn mit, woraufhin das Gericht die Verhandlung unterbricht, und kommt es später zu einem Verkehrsunfall, aufgrund dessen sein Pkw nicht mehr fahrbereit ist, ist dem Angeklagten Wiedereinsetzung wegen Versäumung der HV zu gewähren, weil er dem Termin unverschuldet ferngeblieben war (OLG Hamm, Beschl. v. 11.6.2001 – 3 Ws 237/01). |
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Fahrzeugpannen sind i.d.R. nicht vorhersehbar und entschuldigen deshalb ein Fernbleiben oder eine Verspätung (BVerfG, Beschl. v. 11.12.1989 – 2 BvR 36/89; OLG Hamm NZV 1997, 493; VRS 97, 44; OLG Karlsruhe NJW 1973, 1515); bedenklich, dass im Fall des Nichtanspringens des Fahrzeugs, das eine Reinigung des Luftfilters erforderlich machte, weshalb der Angeklagte 17 Minuten zu spät zur HV erschien, eine genügende Entschuldigung verneint wurde (OLG Bamberg NJW 1995, 740). |
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Bietet sich eine zuverlässige Mitfahrgelegenheit, darf der Angeklagte darauf vertrauen (OLG Oldenburg StraFo 2009, 336; dazu Burhoff, HV, Rn 713 ff.). |
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Bei Anreise mit der Deutschen Bahn darf der Angeklagte einen erkennbar zu spät ankommenden Zug nicht auswählen; ihm kann jedoch Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn er seinen Zug verpasst hat (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 368; OLG München wistra 2008, 480). S.a. MittellosigkeitRdn 145. |
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Ein Unfall (Sturzverletzung mit Gehirnerschütterung), den der Angeklagte um 7.30 Uhr auf dem Frankfurter Hauptbahnhof erleid... |