Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Urlaubsabwesenheit am Tag der HV kann einen Entschuldigungsgrund aus dem privaten Lebensbereich darstellen. |
2. |
Kollidiert der Hauptverhandlungstermin mit einer gebuchten Urlaubsreise, kommt es letztlich darauf an, ob die Buchung vor oder nach der Ladung zur HV erfolgte. |
Rdn 172
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil A Rdn 58.
Rdn 173
1. Die Urlaubsabwesenheit am Tag der HV kann einen Entschuldigungsgrund aus dem privaten Lebensbereich darstellen (s. unter "Gründe, private" bei → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges, A – Z, Teil A Rdn 139)
☆ Die Rspr . der Obergerichte zum Begriff der genügenden Entschuldigung i.S. des § 329 a.F. für das Ausbleiben des Angeklagten infolge Urlaubs (vgl. dazu a. Burhoff , HV, Rn 715) ist auch nach der Neuregelung des § 329 weiter anwendbar . Insoweit haben sich keine Änderungen in der StPO ergeben.Rspr. der Obergerichte zum Begriff der "genügenden Entschuldigung" i.S. des § 329 a.F. für das Ausbleiben des Angeklagten infolge Urlaubs (vgl. dazu a. Burhoff, HV, Rn 715) ist auch nach der Neuregelung des § 329 weiter anwendbar. Insoweit haben sich keine Änderungen in der StPO ergeben.
Rdn 174
Ein Bürger muss zwar i.d.R. nicht seinen Urlaub unter dem Vorbehalt etwaiger Terminsbestimmung antreten und ggf. auf ihn verzichten oder ihn unterbrechen; vielmehr kann er davon ausgehen, dass das Gericht seinem berechtigten Verlangen durch eine Aufhebung oder Verlegung des Termins entspricht (BVerfG NJW 1969, 1531); sich ausschließlich hierauf zu berufen, ist jedoch schon deshalb nicht vollkommen risikolos, weil es der Angeklagte ist, der das Rechtsmittelverfahren in Gang gesetzt hat, er mithin mit der Ladung zur HV rechnen muss, sodass ihn besondere Sorgfaltspflichten treffen, soll nicht die Fiktionswirkung des Interessenverlusts an der Durchführung des Verfahrens Platz greifen. Jedoch dürfen auch hier die Anforderungen nicht überspannt werden. Hat der Angeklagte Anfang Januar Berufung einlegen lassen und wird er zur HV erst im August geladen, wobei er bis dahin ohne jede Nachricht vom Gericht über den Fortgang des Verfahrens geblieben war, musste er angesichts dieses Zeitablaufs, den die Justiz ohne seine Benachrichtigung für sich in Anspruch genommen hat, besondere Vorkehrungen für eine jederzeitige Erreichbarkeit nicht mehr treffen (OLG Oldenburg Nds.Rpfl 2004, 47; a.A. BayObLG, Beschl. v. 13.8.1997 – 3St RR 46/97, wobei die Ladung zum HV-Termin den Angeklagten erst ein Jahr nach der HV erreichte).
☆ Steht der Urlaubstermin bereits bei Einlegung des Rechtsmittels fest , sollte das Gericht schon in diesem – frühen – Stadium darauf hingewiesen werden, … nicht in der Zeit zwischen … und … Hauptverhandlung anzuberaumen, da sich der Angeklagte in diesem Zeitraum in einem bereits gebuchten Urlaub befindet … . Ist zu befürchten, dass der Hauptverhandlungstermin in die Zeit des geplanten Urlaubs fällt, sollte zusammen mit der Einlegung der Berufung darum gebeten werden, vor Terminsanberaumung … den Termin für die Hauptverhandlung abzusprechen, um eine Kollision mit einem geplanten Urlaub zu vermeiden … . bereits bei Einlegung des Rechtsmittels fest, sollte das Gericht schon in diesem – frühen – Stadium darauf hingewiesen werden, "… nicht in der Zeit zwischen … und … Hauptverhandlung anzuberaumen, da sich der Angeklagte in diesem Zeitraum in einem bereits gebuchten Urlaub befindet …". Ist zu befürchten, dass der Hauptverhandlungstermin in die Zeit des geplanten Urlaubs fällt, sollte zusammen mit der Einlegung der Berufung darum gebeten werden, vor Terminsanberaumung "… den Termin für die Hauptverhandlung abzusprechen, um eine Kollision mit einem geplanten Urlaub zu vermeiden …".
Rdn 175
2. Kollidiert der Hauptverhandlungstermin mit einer gebuchten Urlaubsreise, kommt es letztlich darauf an, ob die Buchung vor oder nach der Ladung zur HV erfolgte. I.d.R. ist das Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung infolge Urlaubsabwesenheit genügend entschuldigt, wenn er den Urlaub vor Erhalt der Ladung zur HV gebucht hat (OLG Hamm zfs 2005, 515; LG Berlin NZV 2007, 253). Allerdings soll auch unter diesen Umständen ein Erscheinen vor Gericht zumutbar sein, wenn es sich um einen Urlaubsaufenthalt im benachbarten Ausland handelt, der ohne größere zeitliche bzw. finanzielle Probleme unterbrochen werden kann (Polen: OLG Brandenburg VRR 2008, 393; Schweiz: OLG Saarbrücken NJW 1975, 1613), was im Ergebnis allerdings dem vom BVerfG (NJW 1969, 1531) aufgestellten Grundsatz zuwiderläuft. Befindet sich der Angeklagte hingegen für längere Zeit im Ausland (hier: Brasilien), wohin er bereits vor Erlass des Strafbefehls verreist war, kann ihm ein persönliches Erscheinen in der HV nicht zugemutet werden; dies gilt umso mehr, wenn im Strafbefehl die Höhe des Tagessatzes auf 10 EUR festgesetzt worden war, woraus auch geschlossen werden kann, dass es an finanziellen Mittel für einen nicht geplanten Rückflug fehl...