Das Wichtigste in Kürze:

1. Ausgeblieben ist der Angeklagte/Betroffene, wenn er nicht zeitnah körperlich vor Gericht erschienen ist.
2. Besonderheiten sind z.B. zu beachten, wenn der Angeklagte körperlich rechtzeitig erschienen ist, jedoch keine Angaben zu Person und Sache macht.
 

Rdn 187

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil A Rdn 58.

 

Rdn 188

1. Ausgeblieben ist der Angeklagte/Betroffene, wenn er nicht zeitnah (zur Verspätung s. → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Verspätung, Teil A Rdn 195) körperlich vor Gericht erschienen ist. Der Zeitpunkt, zu dem er erschienen sein muss, ist streitig. Während Teile der Rspr. die angesetzte Terminsstunde als Ausgangspunkt der Beurteilung heranziehen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 303; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2012, 258 = DAR 2012, 477), legen andere Stimmen den Aufruf der Sache zugrunde (OLG Frankfurt/Main [2 Ss 351/99] NStZ-RR 2001, 85; Burhoff, HV, Rn 699 ff.; Graf/Eschelbach, § 329 Rn 13; KK-Paul, § 329 Rn 4).

 

☆ Der erstgenannten Auffassung – angesetzte Terminsstunde ist der Vorzug zu geben; denn die Erscheinenspflicht korrespondiert mit dem Ladungsgehorsam (→  Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Ladung, Allgemeines , Teil A Rdn  1591  ff.). Auch unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Fürsorgepflicht im Zusammenhang mit der Verspätung des Angeklagten/Betroffenen (→  Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Verspätung , Teil A Rdn  195  ff.) würde es zu deren Überdehnung führen, müsste das – i.d.R. ohnehin verspätete – Gericht nach Aufruf der Sache nochmals mit dem Beginn der HV zuwarten. Auch in anderen Bereichen wird – zutreffend – auf die angesetzte Terminsstunde abgestellt (vgl. zum Längenzuschlag des Pflichtverteidigers: Burhoff/ Burhoff , RVG, Nr. 4110 VV Rn 11; →  Allgemeine Gebührenfragen, Besonderheiten Pflichtverteidiger , Teil D Rdn  12 ; →  Terminsgebühr, Allgemeines , Teil D Rdn  402 )."angesetzte Terminsstunde" ist der Vorzug zu geben; denn die Erscheinenspflicht korrespondiert mit dem Ladungsgehorsam (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Ladung, Allgemeines, Teil A Rdn 1591 ff.). Auch unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Fürsorgepflicht im Zusammenhang mit der Verspätung des Angeklagten/Betroffenen (→ Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Verspätung, Teil A Rdn 195 ff.) würde es zu deren Überdehnung führen, müsste das – i.d.R. ohnehin verspätete – Gericht nach Aufruf der Sache nochmals mit dem Beginn der HV zuwarten. Auch in anderen Bereichen wird – zutreffend – auf die angesetzte Terminsstunde abgestellt (vgl. zum Längenzuschlag des Pflichtverteidigers: Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4110 VV Rn 11; → Allgemeine Gebührenfragen, Besonderheiten Pflichtverteidiger, Teil D Rdn 12; → Terminsgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 402).

 

Rdn 189

2.a) Besonderheiten sind zu beachten, wenn der Angeklagte körperlich rechtzeitig

erschienen ist, jedoch keine Angaben zu Person und Sache macht (vgl. Teil A Rdn 190),
"incognito" zur HV erscheint und sich auch bei Aufruf der Sache nicht zu erkennen gibt,
erschienen ist und auf die Frage, ob er der Angeklagte sei, dies wahrheitswidrig verneint,
erschienen ist, sich aber vor Erscheinen des Gerichts wieder entfernt hat (vgl. Teil A Rdn 191),
erschienen, aber verhandlungsunfähig ist, weil er sich selbst in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt hatte (Alkohol: BGHSt 23, 331; BayObLG NStZ-RR 1998, 368; Psychopharmaka: OLG Köln VRS 65, 47), was allerdings dann nicht zur Verwerfung der Berufung führen kann, wenn sich die Verhandlungsunfähigkeit erst während der HV aufgrund einer Beweisaufnahme feststellen lässt ("Beginn der Hauptverhandlung"; KG, Beschl. v. 12.9.2000 – (4) 1 Ss 107/00 (138/00); OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2005, 174 und § 329 Abs. 1 S. 2 Nr. 3),
seine Verhandlungsunfähigkeit nur vorspiegelt
in den (neuen) (Verwerfung)Fällen des § 329 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – 3 (vgl. Teil A Rdn 192 ff.; wegen der Einzelh. Spitzer StV 2016, 48, 51 ff.).
 

Rdn 190

b) Ist der Angeklagte erschienen, macht er jedoch keine Angaben zu Person und Sache gilt: Eine wirksame Ladung statuiert lediglich die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum (rechtzeitigen) Erscheinen vor Gericht. Dort steht dem Angeklagten ein umfassendes Schweigerecht zu (Burhoff, HV, Rn 702, 339; Burhoff, EV, Rn 1595 ff.; KK-Paul, § 243 Rn 4; SK-StPO/Frister, § 243 Rn 27). Aus § 111 Abs. 1 OWiG kann entgegen der h.M. (BGHSt 25, 13 [17]; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 87; LG Berlin NStZ-RR 1997, 338; AnwK/StPO-Sommer, § 243 Rn 12; Graf/Graf, § 243 Rn 13; KK-Schneider, § 243 Rn 18; LR-Becker, § 243 Rn 31; Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 11) nicht die Verpflichtung hergeleitet werden, die in § 111 OWiG aufgeführten Angaben machen zu müssen, da es sich schon aus der Natur der Sache heraus um Erklärungen handelt, die einen doppelrelevanten Charakter aufweisen und deren Offenbarung dem Nemo-tenetur-Grundsatz zuwiderläuft, sodass das allein passive Erdulden der HV als Angeklagter nicht zur Verwerfung von Berufung oder Einspru...

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