Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die Vorschriften über die Annahmeberufung werden nur bei Heranwachsenden relevant, die nach allgemeinem Strafrecht zu einer Geldstrafe verurteilt wurden. Für Jugendliche gelten sie nicht. |
2. |
Eine "Sperrberufung" der StA ist mit dem Beschleunigungsgedanken des Jugendstrafverfahrens nicht vereinbar. |
3. |
Durch das gesonderte Rechtsmittelrecht der Erziehungsberechtigten ergeben sich Besonderheiten beim Nichterscheinen zur Berufungshauptverhandlung. |
Rdn 666
Literaturhinweise:
Krumdiek, Unzulässige Einlegung von Berufungen (sog. Sperrberufungen), StRR 2010, 84
Schäfer, Das Berufungsverfahren in Jugendsachen, NStZ 1998, 330
s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 620.
Rdn 667
1. Die Vorschrift des § 313, in dem die Annahmeberufung geregelt ist, findet in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende, die materiell nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, keine Anwendung (Brunner/Dölling, § 55 Rn 1; Schäfer NStZ 1998, 330, 334; D/S/S-Schatz, § 55 Rn 2). Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Heranwachsender unter Anwendung des Erwachsenenstrafrechts zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen verurteilt wurde (OLG Stuttgart ZJJ 2009, 156; s. dazu allgemein: → Berufung, Annahmeberufung, Allgemeines, Teil A Rdn 20 ff.; → Berufung, Annahmeberufung, Entscheidung, Teil A Rdn 28 ff.; → Berufung, Annahmeberufung, Verfahren, Teil A Rdn 38 ff.).
Rdn 668
2. Einem "Mitgehen" der StA zu einem Rechtsmittel des Beschuldigten, um das Verbot der reformatio in peius (→ JGG-Besonderheiten, Verschlechterungsverbot, Teil A Rdn 971 ff.) oder gar weiterer Rechtsmittel (→ JGG-Besonderheiten, Rechtsmittelbeschränkungen, Teil A Rdn 817 ff.) auszuschalten (sog. "Sperrberufung", dazu Krumdiek StRR 2010, 84; → Berufung, Allgemeines, Teil A Rdn 11 ff.) steht die RLJGG Nr. 1 S. 2 zu § 55 entgegen. Hiernach ist aus erzieherischen Gründen wegen des im Jugendstrafverfahren geltenden Beschleunigungsgebots bei der Einlegung von Rechtsmitteln zuungunsten des Angeklagten besondere Zurückhaltung geboten.
Rdn 669
3.a) Die Vorschriften über das Ausbleiben des Angeklagten zur Berufungs-HV (§ 329 ff.) gelten grds. auch im Jugendstrafverfahren (vgl. allgemein dazu → Berufung, Ausbleiben, Allgemeines, Teil A Rdn 57 m.w.N.; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Anfechtung, Allgemeines, Teil A Rdn 73; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Berufung Staatsanwaltschaft, Teil A Rdn 110; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges A-Z, Teil A Rdn 122; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges, Erkrankung, Teil A Rdn 155; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges, Urlaub, Teil A Rdn 171; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Genügend entschuldigt, Teil A Rdn 177; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Nichterscheinen, Teil A Rdn 186; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Verspätung, Teil A Rdn 195; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Vertretung, Teil A Rdn 206).
Rdn 670
b) Besonderheiten können sich bei einer Berufung der gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten ergeben:
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erscheinen weder der Jugendliche noch ein Vertreter mit schriftlicher Vertretungsvollmacht noch der Berufungsführer, verwirft das Berufungsgericht die Berufung ohne Sachverhandlung (§§ 330 Abs. 2 S. 2 1. HS, 329 Abs. 1 S. 1); |
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erscheint der Jugendliche, nicht aber der Berufungsführer, so verhandelt das Berufungsgericht ohne diesen (§ 330 Abs. 2 S. 1); |
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erscheint nur der Berufungsführer, nicht aber der Jugendliche gelten §§ 330 Abs. 2 S. 2 2. HS, 329 Abs. 2, 3. Allerdings darf – abweichend vom allgemeinen Strafrecht – wegen des Rechtsgedankens des § 50 Abs. 1 JGG nicht ohne den Jugendlichen verhandelt werden (Eisenberg, § 55 Rn 21; Schäfer NStZ 1998, 330 (334); Ostendorf, § 55 Rn 10; a.A. Brunner/Dölling, § 55 Rn 4; → Berufung, Ausbleiben, Allgemeines, Teil A Rdn 57 m.w.N.). |
Rdn 671
c) Das Berufungsgericht darf die Berufung des nicht erschienenen Angeklagten nicht nach § 329 Abs. 1 verwerfen, wenn beim AG statt des Erwachsenengerichts das Jugendgericht zuständig war. Dann ist die Sache gem. § 328 Abs. 2 an das zuständige Jugendgericht zu verweisen (OLG Celle NStZ 1994, 298).
Siehe auch: → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 619, m.w.N.; → Berufung, Annahmeberufung, Allgemeines, Teil A Rdn 20; → Berufung, Annahmeberufung, Entscheidung, Teil A Rdn 28; → Berufung, Annahmeberufung, Verfahren, Teil A Rdn 38; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil A Rdn 57; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Anfechtung, Allgemeines, Teil A Rdn 73; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Berufung Staatsanwaltschaft, Teil A Rdn 110; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges A-Z, Teil A Rdn 122; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges, Erkrankung, Teil A Rdn 155; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Endgültiges, Urlaub, Teil A Rdn 171; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Genügend entschuldigt, Teil A Rdn 177; → Berufung, Ausbleiben des Angeklagten, Nichtersche...