Detlef Burhoff, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das Verbot der Schlechterstellung gilt auch im Jugendstrafverfahren. |
2. |
Wegen der individuellen Reaktionsmöglichkeiten ist die Frage, wann eine Verschlechterung vorliegt nicht immer einfach zu beantworten. Eine Verschlechterung ist daher nicht nur abstrakt, sondern immer individuell, bezogen auf den einzelnen Jugendlichen zu beurteilen. |
3. |
Die instanzielle Rechtsmittelbeschränkung nach § 55 Abs. 2 JGG (→ JGG-Besonderheiten, Rechtsmittelbeschränkungen, Teil A Rdn 822 ff.) soll nach h.M. auch bei einem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gelten (Ausnahme: greifbare Gesetzeswidrigkeit). |
Rdn 972
Literaturhinweise:
Baumann, Das strafprozessuale Verbot der reformatio in peius und seine Besonderheiten im Jugendstrafrecht 1999
Kretschmann, Das Verbot der reformatio in peius im Jugendverfahren 1968
Streng, Jugendstrafrecht. 3. Aufl. 2012
s a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 620.
Rdn 973
1.a) Das Verbot der Schlechterstellung gilt auch im Jugendstrafverfahren (§ 2 JGG, §§ 331, 358 Abs. 1 S. 1) und zwar unabhängig davon, ob Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafe verhängt wurden (BGHSt 10, 198, 202; OLG Celle StV 2001, 179; Eisenberg, § 55 Rn 24; Ostendorf, § 55 Rn 11, HK-JGG/Laue, § 55 Rn 45). Die angefochtene Entscheidung darf demnach in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des jugendlichen Verurteilten geändert werden, wenn lediglich er, sein Verteidiger, sein Erziehungsberechtigter bzw. gesetzlicher Vertreter oder zu seinen Gunsten die StA das Rechtsmittel eingelegt hat (allgemein zum Verbot der Schlechterstellung → Berufung, Verschlechterungsverbot, Allgemeines, Teil A Rdn 290, m.w.N.).
Rdn 974
b) Das Verbot der reformatio in peius gilt für Berufung, Revision und Wiederaufnahme sowie für Beschlüsse, wenn hierdurch eine Rechtsfolge endgültig festgelegt wird, sog. urteilsgleiche Beschlüsse.
☆ Kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot liegt in einer Einbeziehung rechtskräftiger Entscheidungen im Berufungsrechtszug gem. § 31 Abs. 2 JGG, da ansonsten die einheitliche (schwerwiegendere) Maßnahme im Nachtragsverfahren gem. § 66 JGG (→ JGG-Besonderheiten, Entscheidungsergänzungen, nachträgliche , Teil A Rdn 765 ff.) getroffen werden müsste (D/S/S- Schatz , § 55 Rn 29; zu den Auswirkungen hinsichtlich der instanziellen Rechtsmittelbeschränkung (→ JGG-Besonderheiten, Rechtsmittelbeschränkungen , Teil A Rdn 820 ff.). gegen das Verschlechterungsverbot liegt in einer Einbeziehung rechtskräftiger Entscheidungen im Berufungsrechtszug gem. § 31 Abs. 2 JGG, da ansonsten die einheitliche (schwerwiegendere) Maßnahme im Nachtragsverfahren gem. § 66 JGG (→ JGG-Besonderheiten, Entscheidungsergänzungen, nachträgliche, Teil A Rdn 765 ff.) getroffen werden müsste (D/S/S-Schatz, § 55 Rn 29; zu den Auswirkungen hinsichtlich der instanziellen Rechtsmittelbeschränkung (→ JGG-Besonderheiten, Rechtsmittelbeschränkungen, Teil A Rdn 820 ff.).
Rdn 975
Zu den urteilsgleichen Beschlüssen folgende Rechtsprechungsübersicht (HK-JGG/Laue, § 55 Rn 45; D/S/S-Schatz, § 55 Rn 30; Ostendorf, § 55 Rn 12):
Rdn 976
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Anordnung von Ungehorsamsarrest, auch im Rahmen von Bewährungsauflagen (§§ 11 Abs. 3, 15 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 S. 4, 29 S. 2 JGG → JGG-Besonderheiten, Ungehorsamsarrest, Teil A Rdn 920 ff.), |
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Beschlüsse über die Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 21, 57 Abs. 1, 59, 88 JGG; → JGG-Besonderheiten, Bewährungsfragen, Teil A Rdn 672 ff.; s. auch Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil A Rn 85 ff.), |
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Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung (§ 66 Abs. 2 S. 2 JGG; → JGG-Besonderheiten, Entscheidungsergänzungen, nachträgliche, Teil A Rdn 765 ff.), |
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Absehen von der weiteren Vollstreckung des Jugendarrests (§ 87 Abs. 3 JGG; ausführlich Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil B Rn 803 ff.), |
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Festsetzung einer Sperrfrist für die Restaussetzung der Jugendstrafe (§ 88 Abs. 5 JGG s. Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil B Rn 831), |
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Änderung der Dauer der Bewährungszeit (§§ 22 Abs. 2 S. 2, 88 Abs. 6 S. 1 JGG; (str.) auch Eisenberg, § 55 Rn 82a; Brunner/Dölling, § 55 Rn 45; a.A. OLG Hamburg NJW 1981, 470; → JGG-Besonderheiten, Bewährungsfragen, Teil A Rdn 672 ff.; ausführlich Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil A Rn 175 ff.). |
Rdn 977
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Änderung von Bewährungsauflagen und -weisungen, da diese von vornherein unter dem stillschweigenden Vorbehalt jederzeitiger Abänderung stehen (→ JGG-Besonderheiten, Bewährungsfragen, Teil A Rdn 672 ff.); |
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Abänderung von Erziehungsmaßregeln bzw. Auflagen §§ 11 Abs. 2, 15 Abs. 3 S. 1 JGG (s. → JGG-Besonderheiten, Abänderung von Entscheidungen, Teil A Rdn 599 ff.). |
Rdn 978
2.a) Die Rechtsfolgen nach dem JGG sind vielfältiger als im Erwachsenenstrafrecht und beruhen auf dem Erziehungsgedanken (→ JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 621). Daher ist die Antwort auf die Frage, was eine "Verschlechterung" ist, also die Abwägung, welche Rechtsfolge im Verhältnis zu einer anderen schwerer wie...