Das Wichtigste in Kürze:

1. Gerichtlicher Rechtsschutz im Jugendstrafvollzug ist – wie bei Erwachsenen – über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu erhalten.
2. Zuständig ist die Jugendkammer.
3. Gegen die Entscheidung der Jugendkammer ist nur die Rechtsbeschwerde zum OLG möglich.
4. Der Jugendliche kann einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen.
5. Als informelle Konfliktlösung kommt eine Beschwerde bei der Anstaltsleitung in Frage. Auch hier soll der Jugendliche mündlich gehört werden.
 

Rdn 1009

 

Literaturhinweise:

Eisenberg, Jugendstrafvollzugsgesetze der Bundesländer – eine Übersicht, NStZ 2008, 250

Höynck u.a., Jugendstrafvollzugsgesetze der Länder, ZJJ 2008, 159

Jesse, Aktuelle Herausforderungen im Jugendvollzug, ZJJ 2015, 123

Kamann, Vollstreckung und Vollzug der Jugendstrafe 2009

Köhne, Das Ende des "gesetzlosen" Jugendstrafvollzuges, ZRP 2007, 109

Kretschmer, Ergänzungen und Alternativen zum strafvollzugsrechtlichen Rechtsschutzsystem, ZfStrVo 2005, 217

Ostendorf (Hrsg.), Jugendstrafvollzugsrecht, 2. Aufl., 2012

ders., Die gesetzlichen Grundlagen für den Jugendstrafvollzug, ZJJ 2015, 112

s.a. die Hinw. bei → JGG-Besonderheiten, Allgemeines, Teil A Rdn 620.

 

Rdn 1010

1.a) Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung vom 31.5.2006 (NJW 2006, 2093) für den Jugendstrafvollzug eine gesetzliche Grundlage gefordert (dazu Köhne ZRP 2007, 109). Da das Recht des Vollzugs seit der Föderalismusreform 2006 Sache der Länder ist, sind diese auch für den Jugendstrafvollzug zuständig. Bis auf Bayern und Niedersachsen, die den Jugendstrafvollzug in den "allgemeinen" Vollzugsgesetzen behandeln, haben alle anderen Bundesländer eigene Jugendstrafvollzugsgesetze erlassen (zu den einzelnen Jugendstrafvollzugsgesetzen Ostendorf, a.a.O.; abgedr. a. in D/S/S). Eine synoptische Darstellung befindet sich bei Höynck u.a. ZJJ 2008, 159; Eisenberg NStZ 2008, 250) Hinweise zur Verteidigung befinden sich auch bei Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil C Rn 437 ff. und Kamann, Vollstreckung und Vollzug der Jugendstrafe.

 

Rdn 1011

b) § 92 JGG regelt den gerichtlichen Rechtsschutz sowohl für den Jugendarrest als auch für die Jugendstrafe bzw. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (s. Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil C Rn 532 ff.). Gerichtlicher Rechtsschutz besteht im Antrag auf gerichtliche Entscheidung und in der Rechtsbeschwerde.

 

Rdn 1012

c) Die Stellung des Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreters ist die gleiche wie im jugendgerichtlichen Erkenntnisverfahren. Dies bedeutet,

soweit der Gefangene ein Recht darauf hat, gehört zu werden, Fragen und Anträge zu stellen oder bei Untersuchungshandlungen anwesend zu sein, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertretern zu (§ 67 Abs. 1 JGG),
ist eine Mitteilung an den Gefangenen vorgeschrieben, so soll die Mitteilung auch an die Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter gerichtet werden (§ 67 Abs. 2 JGG),
die Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter können einen Verteidiger wählen oder
Rechtsmittel einlegen.
 

Rdn 1013

d) Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Jugendvollzug gelten die §§ 109 und 111 bis 120 StVollzG sowie § 67 Abs. 1 – 3 und 5 JGG (Stellung des Erziehungsberechtigten) entsprechend, allerdings kann das Landesrecht vorsehen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach einem Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung zulässig ist.

 

Rdn 1014

Von der Möglichkeit des Güteverfahrens vor einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat nur das Saarland Gebrauch gemacht. Gem. § 87 Abs. 4 JStVollzG Saarland kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach einem Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung gestellt werden. Dieses Schlichtungsverfahren wird vom Vollstreckungsleiter, also dem Jugendrichter, durchgeführt. NRW hat gem. § 97 Abs. 2 JStVollzG NRW die "Ombudsperson für den Strafvollzug" eingeführt. Dieses Verfahren stellt jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung dar.

 

Rdn 1015

e) Durch die Bezugnahme auf §§ 109 ff StVollzG gelten folgende Voraussetzungen für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung:

Der Antragsteller muss geltend machen, durch eine Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 109 Abs. 2 StVollzG).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat grds. keine aufschiebende Wirkung (§ 114 StVollzG). Das Gericht kann jedoch den Vollzug der angefochtenen Maßnahme aussetzen oder entsprechend § 123 VwGO eine einstweilige Anordnung erlassen. Dieser Antrag kann schon vor dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden.
 

Rdn 1016

2. Örtlich und funktionell zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist grds. die Jugendkammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat (§ 92 Abs. 2 JGG; ausführlich Burhoff/Kotz/Schimmel, Nachsorge, Teil C 531 ff.). Im Grundsatz entscheidet die Jugendkammer durch eines ihrer Mitglieder als ...

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